Andreas Scalet

Kommentar

Andreas Scalet

Lernen von den Unternehmern

Markt / 20.11.2013 • 22:08 Uhr

Kann denn das Ansehen noch tiefer sinken? Auf die VN-Leserfrage, ob Politiker strafrechtlich für ihr Tun zur Verantwortung gezogen werden sollen, antworteten über 98 Prozent mit Ja, und einen Tag später schlossen sich über 80 Prozent der Forderung von Industriellenpräsident Hubert Bertsch an, der angesichts der Budget-Malaise und deren „Verheimlichung“ vor der Nationalratswahl eine Wiederholung dieser Wahl forderte.

 

Das Vertrauen in die Politik schwindet kontinuierlich. Der Bevölkerung ist kein Vorwurf zu machen. Die Politikmüdigkeit ist eine Politikermüdigkeit, und die Performance an der gewählten Spitze scheint nicht besser zu werden. Neben den aktuellen Aufregern Budgetloch und Pensionen gelingt der Ballhaus-Truppe auch sonst nicht viel: Die Bildung bleibt Baustelle – nachdem die Verhandlungen ums Lehrerdienstrecht ergebnislos zu Ende gingen, wird bis auf Weiteres auch nichts geschehen. Wertvolle Zeit verstreicht auch bei der Steuerreform, im Gesundheitssystem, beim Bürokratieabbau.

 

In Vorarlberg hat sich eine bemerkenswerte Initiative formiert, die nicht mehr warten will. „Moll, des goht“, sagen Vorarlberger Leitbetriebe und warten icht mehr darauf, dass die Politik etwas tut. Sie setzen Initiativen, geben ihr Geld aus und schaffen Vertrauen. Denn inzwischen sind es die Unternehmen, die das Bildungsdefizit bei Jugendlichen auszugleichen versuchen, die mit eigenen Gesundheitsprogrammen und Pensionskassen den Menschen Sicherheit geben. Und die Wirtschaft ist es auch, die Visionen entwickelt, die Utopien umsetzt. Eben das, was die Politik machen sollte.

 

Die Vorarlberger Initiative ist ein regionales Beispiel für einen internationalen Trend: Zahlreiche Unternehmer nehmen die wirklich wichtigen Dinge selbst in die Hand. Sie warten nicht länger, sondern schaffen Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung, die tatsächlich funktionieren. Die Unternehmer waren natürlich nicht immer so: Aber sie haben gelernt zuzuhören. Sie wissen, was die Menschen bewegt. Und nicht nur das. Sie setzen auch um, was ihre Mitarbeiter vorschlagen. Sei dies bei der Bildung, in der sozialen Absicherung, bei der Bildung und natürlich auch in anderen Bereichen wie Energieeffizienz und Umweltschutz. Das ist echte Nachhaltigkeit. Und es stünde unseren Politikern gut an, diesem Beispiel zu folgen: Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Wort bei Ansprachen, sondern eine Aufgabe. Halten sich die Politiker daran, wird auch ihr Ansehen wieder steigen.

andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862