Die neue Bescheidenheit

Markt / 23.02.2014 • 18:39 Uhr

Die Finanzminister und Notenbank-Chefs der G-20-Länder üben sich in Bescheidenheit.

Sydney. Rund sechs Jahre nach dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise ist die einstmals so ehrgeizige Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in der neuen Bescheidenheit angekommen. Im spätsommerlichen Sydney vermittelte das Treffen ihrer Finanzminister und Notenbankchefs am Wochenende das Bild eines Clubs, der gelernt hat, sich mit wenig zufriedenzugeben.

Der eine oder andere Minister, etwa der aus Brasilien oder auch seine Kollegen aus Südafrika und Mexiko, schaffte es dieses Mal nicht, vorbeizukommen. Macht nichts – Spektakuläres stand in der warmen australischen Sonne ohnehin nicht an, wie einer der Teilnehmer freimütig einräumte.

Kurzer Draht zueinander

Dass die G 20 immer mehr an Gewicht verliert, sich womöglich auf dem Weg ins Abseits bewegt, bestreiten die Hauptdarsteller allerdings. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sagt es immer wieder, auch Kanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen aus den anderen Ländern: Dass sich die Mächtigen in diesem Rahmen regelmäßig treffen, kennenlernen, den kurzen Draht zueinander legen, sei schon ein hoher Wert an sich, beteuern sie seit Jahren unisono. Das Argument hat Gewicht. Immerhin waren es in der Krise nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 die Finanzminister, die den in Jahren aufgebauten direkten Kontakt nutzten, zum Telefonhörer griffen und gemeinsam das Schlimmste verhinderten.

Nicht zuletzt deshalb wurde die G 20 von einer Finanzminister-Zusammenkunft

auf die Ebene der Staats- und Regierungschefs gehoben. Inzwischen gibt es einen festen Turnus von rund einem halben Dutzend G-20-Treffen jährlich.

Routine ist eingekehrt – mit dem wachsenden Abstand zur Krise werden die Erfolge weniger. Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte ein „Ehemaliger“, der langjähriger G-20-Top-Akteur Jörg Asmussen, mit Mahnungen Aufsehen erregt. Der ehemalige EZB-Direktor beklagte, die Ergebnisse der G 20 würden immer bescheidender. Die Effektivität lasse nach, ebenso wie die Dynamik. Aufgeben wollte er sie aber dennoch nicht: „Trotz aller Begrenzungen bleibt die G-20 das zentrale Instrument zur globalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit.“

Ziele als Motivationshilfe

Die G-20-Konferenz in Sydney wirkt wie ein verspäteter Beleg für Asmussens Kritik. Ihre große Überschrift, die Ausgabe eines ehrgeizigen, neuen globalen Wachstumsziels, entpuppt sich bei Lichte besehen als Papiertiger. Denn hinter vorgehaltener Hand wird im G-20-Kreis gleich relativiert: keine Verbindlichkeit, keine Garantie, nichts Einklagbares. Das hehre Ziel ist eher als Motivationshilfe gedacht, als Psycho-Doping.

Doch diese Wachstumsmarke verbirgt ein zusätzliches Signal. Die USA, die seit Jahren unermüdlich für mehr Wachstumsförderung werben und den Deutschen vorwerfen, mit ihrem Sparwahn zu wenig dafür zu tun, können einen kleinen Sieg feiern. Dass die deutsche Regierung ursprünglich einen solchen Wachstumswert nicht wollte, ihn dann aber doch hinnahm, spricht für sich. Überhaupt: War noch vor wenigen Jahren in der G 20 zu beobachten, dass die USA als Ursprungsland der großen Finanzkrise in ihrem Führungsanspruch infrage gestellt wurden, nicht zuletzt von den wirtschaftlich aufkommenden Chinesen, so ist dieses Ansinnen verflogen. Der wichtigste G-20-Partner pflegt inzwischen mehr denn je seine Sonderrolle.