„Luxuspensionen kosten eine Hypo Alpe Adria“

Markt / 06.05.2014 • 22:09 Uhr
Bernd Marin war im Vorfeld der Veranstaltung der Jungen Wirtschaft zu Gast in der VN-Redaktion.  Foto: VN/Steurer
Bernd Marin war im Vorfeld der Veranstaltung der Jungen Wirtschaft zu Gast in der VN-Redaktion. Foto: VN/Steurer

Die Menschen werden älter, das Pensionsloch größer. Eine „ungemütliche Melange“.

Schwarzach. Das Interesse war groß. Über 350 Gäste der Jungen Wirtschaft lauschten im Rankweiler Vinomnasaal den Worten des Pensions­experten Bernd Marin. Und er hatte viel zu erzählen. Zum Beispiel darüber, wieso das Alterungstempo gesellschaftlich die größte Umwälzung seit 20.000 Jahren ist. Dass man in zehn Jahren nicht zehn Jahre älter ist, sondern nur siebeneinhalb Jahre. Dass man zwar jedes Jahr 109 Tage länger lebe, gleichzeitig aber keinen Tag länger arbeite. „Wir fallen immer weiter zurück, trotz winziger Fortschritte“, erklärt Marin im VN-Gespräch. Ein großes Problem sei die „Invaliditätsverrentung“. Gäbe es nur Alters­pensionen, wäre alles nicht so dramatisch. Seit 25 Jahren rede man davon, das faktische an das gesetzliche Pensionsalter heranzuführen. „Das genaue Gegenteil ist passiert“, bemerkt Marin. Das Thema sei eben unbequem. Man könne damit weder einen Blumentopf noch eine Wahl gewinnen. Außer man setze völlig drauf, wie einst Großbritannien. „Tony Blair hat Wahlen damit gewonnen, dass er gesagt hat, ihr müsst drei Jahre länger arbeiten. Gleichzeitig hat er eine Rentensicherheit garantiert. Er hat gesagt, das ist notwendig, wenn ihr mehr als 587 Pfund im Monat haben wollt. Das war der Deal.“

Bezüglich Finanzierbarkeit könne von Panikmache keine Rede sein. Aber wenn man nicht sehr rasch sehr viel ändere, sei man spätestens in drei Legislaturperioden bankrott, ist der Pensionsexperte überzeugt. Mehr Ehrlichkeit ist gefragt. Allerdings sei auch der Leidensdruck noch nicht sehr hoch. „Die verschlafene Koalition wird weiter vor sich hindösen, bis es noch schmerzlicher wird“, so Marin. Eine wirkliche Katastrophe seien indes die Luxuspensionen. Vor allem schätze er die Summe von 600 Millionen im Jahr, die dafür aufgebracht werden, als zu gering ein. Es könnten auch Milliarden sein. „Jede kleine Gemeinde oder Landeselektrizitätsversorger könnten ihren Direktoren Pensionszusagen gemacht haben, die sie nie und nimmer finanzieren können. Aber diese Leichen sind nie ausgegraben worden“, gibt er zu bedenken. Das sei für die Menschen auch völlig unbegreiflich. „Weil es Steuergelder sind und weil es über die ganze Periode gerechnet, von der Größenordnung her, noch einmal eine Hypo Alpe Adria ist. Da wird Geld zum Fenster rausgeworfen. Alles in allem ist es eine sehr ungemütliche Melange.“

Gibt immer eine Pension

In Österreich sei, gutmütig betrachtet, jährlich ein Pensionsloch von 15 bis 16 Milliarden Euro aus dem allgemeinen Budget zu stopfen. „Gleichzeitig waren in Vorarlberg nicht einmal 15 Millionen Euro zu finden, um die Öffnungszeiten der Kindergärten auszudehnen. Aber für Frührenten geben wir Milliarden aus“, gibt Marin nur ein Beispiel. Selbst 71 Prozent der Landwirte würden mittlerweile in Invaliditätsrente gehen. Dennoch werde es immer Pensionen geben, gibt der Experte Entwarnung,  aber die Frage sei, was sie wert sein wird und unter welchen Bedingungen. „Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben“, zitiert er den Philosophen Walter Benjamin. Das Thema Pensionen sei eigentlich hoffnungslos, aber ohnedem gäbe es keine Hoffnung mehr.

Realistisch betrachtet ist die Chance, dass sich rasch genug genug ändert, nicht sehr groß.

Bernd Marin
Bernd Marin war im Vorfeld der Veranstaltung der Jungen Wirtschaft zu Gast in der VN-Redaktion.  Foto: VN/Steurer
Bernd Marin war im Vorfeld der Veranstaltung der Jungen Wirtschaft zu Gast in der VN-Redaktion. Foto: VN/Steurer