Andreas Scalet

Kommentar

Andreas Scalet

Ziele erreichen, Erreichtes sichern

Markt / 03.09.2014 • 22:21 Uhr

Vorarlberg ist das Holzbauland Nr. 1 in Europa. Und will irgendwie auch Tourismusland Nr. 1 werden, und das beste Ökoland in Europa steht ebenfalls auf der „To do“-Liste, die derzeit abgearbeitet und projektiert wird. Zum Erreichen der ehrgeizigen Ziele wird im Land viel Geld in die Hand genommen, es werden viele Menschen mobilisiert und Hindernisse beiseite geräumt, die den Blick aufs große Ziel verstellen.

 

Die Vorarlberger Touristiker haben so ein Ziel, die Tourismusstrategie 2020, die eine breite Unterstützung durch die Interessenvertretung und das Land Vorarlberg genießt. Um die Nr. 1 zu werden, soll sogar das Vorarlberger Erfolgsmodell „Lehre“ durch eine neue Ausbildungsform ersetzt werden. Der zuständige Landesstatthalter und sein Chef wollen ihren Teil dazu beitragen, um diese Änderung bei den entsprechenden Bundesstellen durchzusetzen. Sich Ziele zu setzen, ist ein hehres Anliegen. Ein Anliegen, das die Menschen bewegt und die Wirtschaft antreibt.

 

Doch was, wenn das Ziel erreicht wird? Verliert das Projekt, die Vision, die einst so schillerte, die Leuchtkraft? Ermatten die Proponenten und Unterstützer genauso wie das öffentliche Interesse? Fallen Tourismusland oder Ökoland dann unter erledigte Aufgaben, die keiner weiteren Zuwendung mehr bedürfen? Oder muss dann alle Anstrengung aufgebracht werden, um das Erreichte zu sichern?

 

Fragen, die derzeit die Vorarlberger Zimmerer umtreiben. Sie haben die allgemeine Euphorie erlebt, die eine solche gemeinsame Anstrengung mit sich bringt. Auch ihnen wurde politische Unterstützung zuteil. Politiker zeigten sich gerne mit den Holzbauern, die ob ihrer Leistungen in ganz Europa herumgereicht wurden, deren Leistung sogar Bestandteil der gerade laufenden Tourismusstrategie ist, weil die Vorarlberger Holzbauarchitektur Gäste anlockt, die besonders anspruchsvoll sind und oft auch mehr Geld ausgeben als Wanderer und Skifahrer.

 

Und trotz aller Öffentlichkeit, trotz allen Lobs und der ökologischen und regionalen Ausrichtung scheinen die Zimmerleute in einer Sackgasse mit Bretterwand gelandet zu sein. Weder kämpfen die Politiker für Vorschriften,
die z. B. den mehrgeschoßigen Holzbau im Land ermöglichen, noch werden öffentliche Gebäude in Holz gebaut. Und an den Überkapazitäten seien die Holzbauer selbst schuld, weil sie den Eindruck erweckten, dass die Branche attraktiv sei. Ist das denn wirklich weitblickende Politik, wenn die Nr. 1-Position zwar erreicht, aber nicht verteidigt wird?

andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862