„Mit 55 Jahren ist man vielen Firmen zu alt“

Markt / 05.09.2014 • 19:47 Uhr
AMS-Direktor Anton Strini und seine 234 Mitarbeiter stellen ein umfangreiches Angebot für Stellensuchende zusammen. Fotos: VN/Lerch
AMS-Direktor Anton Strini und seine 234 Mitarbeiter stellen ein umfangreiches Angebot für Stellensuchende zusammen. Fotos: VN/Lerch

Bregenz. Seit 40 Jahren ist AMS-Direktor Anton Strini im Auftrag der Arbeitssuchenden unterwegs. Im Gespräch mit den VN spricht er über den Wandel des Arbeitsmarktes, die Herausforderungen, und warum nur Finnland in der Arbeitsvermittlung besser ist als Vorarlberg.

Herr Strini, Sie haben einen Beruf, der wenig Erfolgserlebnisse bietet. Herrscht Vollbeschäftigung, sind andere dafür verantwortlich. Bei hoher Arbeitslosigkeit verlangt man vom AMS Maßnahmen. Wie gehen Sie persönlich damit um?

Strini: Im Prinzip ist diese Aussage richtig. Aber nur wenn man es als Gesamtes sieht. Wenn man die einzelnen Schicksale sieht, erkennt man, dass wir Wege ganz neu errichten können, sodass der Einzelne wieder am Arbeitsmarkt platziert werden kann und dort nachhaltig erfolgreich arbeitet.

Also der Erfolg liegt in jedem einzelnen, der wieder Arbeit findet…

Strini: Natürlich. Wir beschäftigen uns sehr stark mit Einzelfällen. Wenn es im Jahr 40.000 solcher Einzelfälle gibt, sieht man, dass viele ohne Arbeitsmarktservice nicht mehr den Weg zurück in die Arbeitswelt gefunden hätten. Und das ist was Schönes.

Wie weit kann das AMS lenkend in den Markt eingreifen?

Strini: Die Arbeitsmarktpolitik kann insofern sehr hilfreich sein, dass die Sucharbeitslosigkeit reduziert wird. Unser Job kann es nicht sein, Arbeitslosigkeit generell zu verhindern. Das ist nicht möglich, da wäre das AMS überfordert. Aber es kann für eine möglichst rasche, passgenaue Vermittlung oder eine passgenaue Schulung sorgen, um die Arbeitslosigkeit so kurz wie möglich zu halten. Und das ist ein Teil, wo das AMS Arbeitslosigkeit direkt verhindern oder verkürzen kann.

Am Montag feiern Sie 20 Jahre Arbeitsmarktservice. Davor war das AMS einfach das Arbeitsamt. Was hat sich verändert?

Strini: Die wesentliche Veränderung war eine konsequente und klare Ausrichtung auf die Kunden, die Jobs oder Qualifizierung suchen, und auf die Unternehmen, die versuchen, ihr Jobangebot raschestmöglich an den Mann zu bringen. Und das mit Mitteln, die im allgemeinen Betrieb schon längere Zeit gängig waren.

Dennoch: Trotz Kundenorientierung stehen immer wieder die Weiterbildungsmaßnahmen in der Kritik…

Strini: Es kommt darauf an, um welche Personengruppen es sich handelt. Wir wären falsch beraten, wenn wir auf reine Qualifizierungsmaßnahmen setzen würden. Weil die Defizite teilweise ganz woanders liegen, nämlich im Persönlichkeitsbereich. Da gibt es gerade bei Jugendlichen massiv Schwierigkeiten. Es herrscht eine „Kopf-in-den-Sand-Mentalität“. Darum braucht es persönlichkeitsunterstützende Maßnahmen. Ich glaube, dass die Maßnahmen, die wir durchführen, insgesamt gut sind. 45 Prozent der Absolventen unserer Kurse sind innerhalb von drei Monaten wieder am Markt positioniert. Das ist recht gut. Natürlich ist bei 12.500 Personen, die jährlich in Schulungen kommen, der eine oder andere dabei, bei dem es schiefgeht.

Die von Ihnen genannten 45 Prozent: Was bedeuten sie im Ländervergleich?

Strini: Im Bundesländervergleich ist der Prozentsatz ähnlich. Es gibt europaweit Untersuchungen, wo die Arbeitsmarktverwaltungen miteinander verglichen werden, und da liegen wir jedes Mal mit Finnland an der Spitze.

Die Situation ist paradox: Die Arbeitslosenzahlen steigen, die Betriebe klagen trotzdem darüber, dass sie keine entsprechenden Kräfte bekommen. Wie ist das zu erklären?

Strini: Das ist richtig. Es kommt darauf an, was geboten und was gesucht wird. In Berufen, die gefragt sind und wo es gut qualifizierte Fachkräfte braucht, ist die Stellenandrangsziffer relativ klein. So ist es bei gewissen Handwerkern oder im Tourismus. Man könnte wesentlich mehr Kellner beschäftigen. Umgekehrt ist es im Bürobereich. Wir haben zu viele kaufmännische Angestellte und zu wenig offene Stellen. Also gibt es ein Missmatch. Was man dagegen tun kann, ist eine langfristige Initiative, dass sich das Berufswahlverhalten von Mädchen beispielsweise in Richtung Technik verschiebt. Da unternehmen wir einiges. Oder Unqualifizierte möglichst zu qualifizieren. Unser Job ist es ja, dass sich Angebot und Nachfrage mittelfristig möglichst treffen.

Als die Liberalisierung der Arbeitsvermittlung in Kraft getreten ist, hat es Ängste ob der Konkurrenz gegeben, waren diese begründet?

Strini: Man muss durchaus zugeben, dass bei uns intern die Befürchtungen da waren, dass die privaten Anbieter uns einiges wegschnappen könnten. In der Zwischenzeit haben wir gelernt, dass es wesentlich mehr Sinn macht, mit den Privaten zusammenzuarbeiten. Wir haben den Einschaltungsgrad massiv ausgebaut. 40 Prozent der Stellenangebote laufen heute über das AMS. So gesehen müssen wir uns nicht fürchten.

Unser Job kann es nicht sein, Arbeitslosigkeit zu verhindern. Da wäre das AMS überfordert.

Anton Strini in seinem Büro an der Rheinstraße mit den VN im Gespräch.
Anton Strini in seinem Büro an der Rheinstraße mit den VN im Gespräch.

Kennzahlen

Daten zum Arbeitsmarktservice

» Mitarbeiter: 198 Vollzeitäquivalente (234 Mitarbeiter, inkl. 2 Lehrlinge)

» Existenzsicherung über die Arbeitslosenversicherung: 117,1 Mill. Euro

davon Personal- und Sachausgaben: rund 14,2 Mill. Euro

Daten zum Arbeitsmarkt

» 32.751 Arbeitslose (15.712 Frauen, 17.039 Männer)

» 11.378 Eintritte in Schulungsmaßnahmen

Zur Person

Anton Strini

Direktor des AMS seit 1.1.2006

Geboren: 27.5.1954

Ausbildung: Fachschule für Weberei und Spinnerei in Dornbirn, Matura in Textilbetriebstechnik (Mai 1974),

Laufbahn: Seit 1. Juli 1974 beim Arbeitsmarktservice, ab 1996 stellvertretender Direktor

Familie: verheiratet, zwei Stiefkinder

Hobbies: Musik, Wandern und Mountainbiken

Wohnort: Gurtis