Steuerreform-Vorschlag: Großer Wurf oder absurder Vorschlag?

Industrie legt Reformkonzept zum Steuer- und Abgabensystem vor – Unterstützung aus Vorarlberg.
Wien, Schwarzach. (VN-ee) „Das österreichische Steuersystem ist widersprüchlich, unausgewogen und für die Unternehmen kaum noch administrierbar. Die Steuerlast ist viel zu hoch, der Faktor Arbeit bei Weitem zu stark belastet. Wir verlieren so mit der Gefährdung von Arbeitsplätzen immer mehr an Wettbewerbsfähigkeit. Als Industrie legen wir daher mit unserem Konzept FAIRSteuern eine Reform zum Steuer- und Abgabensystem vor, das zu mehr Wachstum beitragen und bis 2020 rund 168.000 zusätzliche Arbeitsplätze in Österreich schaffen soll“, stellte anläßlich des „Tages der Industrie“ der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, nach den Aktionen der Arbeitnehmervertreter die Sicht der Wirtschaft auf die steuerliche Zukunft vor.
Die Eckpfeiler
Eckpfeiler sind eine Entlastung des Faktors Arbeit, die durch eine Reform des Einkommensteuertarifs und eine Reduktion der Arbeitszusatzkosten 15 Mrd. Euro bringen soll. Weiter sind eine wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung mit einer Gesamtentlastung von 950 Mill. Euro, eine Neukodifizierung des Einkommensteuergesetzes, eine Streichung von Bagatellsteuern und eine Durchforstung aller Gebühren auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene vorgesehen. Die Familienleistungen in Österreich sollen vereinfacht werden. Die Einführung von Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern soll vermieden werden.
Gegenfinanzierung
Die Gegenfinanzierung könnte ausgabenseitig erfolgen, durch Strukturreformen in den Bereichen Pensionen (Anhebung des Pensionsantrittsalters), Gesundheit, Förderungen und Subventionen. Reformiert werden sollen auch die Grund- und Umsatzsteuer. Bei der Umsatzsteuer ist eine Senkung des Steuersatzes auf Lebensmittel von zehn auf fünf Prozent sowie eine Reduktion der Anzahl der Produktgruppen, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, vorgesehen.
Der in Vorarlberg populären Idee eines Steuerwettbewerbs zwischen den Bundesländern erteilte Kapsch im Gespräch mit den VN eine Absage. Zuerst müsse geklärt werden, ob Österreich als Zentral- oder Föderalstaat konzipiert werde.
„Aus Vorarlberger Sicht unterstützen wir dieses Konzept voll“, erklärt dazu gegenüber den VN der Geschäftsführer der IV-Vorarlberg, Mathias Burtscher. „Der Zeithorizont mit drei Etappen bis zum Jahr 2020 ist vorbildhaft. Dass Mitarbeiter und Betriebe in einem Boot sitzen, zeigen auch viele Vorarlberger Unternehmen. Sie informieren ihre Mitarbeiter am Ende des Monats via Infobrief, warum ihnen ein immer kleinerer Teil vom Bruttogehalt in der Tasche bleibt, und wie hoch die Gesamtbelastung des Unternehmens ist.“
Reaktionen auf die IV-Reformpläne
» Wirtschaftstreuhänder: „Die Vorschläge zur Steuerreform decken sich in vielen Bereichen mit dem im Vorjahr publizierten Steuerreformplan der Kammer der Wirtschaftstreuhänder“, sagt die Vorsitzende des Fachsenats für Steuerrecht, Verena Trenkwalder, zu der von der IV ausgearbeiteten Tarifreform. „Im Gegensatz zu anderen Reformvorschlägen enthält das Papier der IV die Forderung nach niedrigen Lohnnebenkosten und einer Reform der Unternehmensbesteuerung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und den Standort Österreich abzusichern.“
» Arbeiterkammer: „Das ist eine Entlastung der Spitzeneinkommen, während die unteren Einkommen zusätzlich belastet statt entlastet werden. Von einer gerechten Steuerreform kann hier keine Rede sein“, so AK-Präsident Rudi Kaske zu den Vorstellungen der Industriellenvereinigung zur Steuerreform.
» Attac: Von einem „Retrokapitalismus“, „der uns in die Wirtschaftskrise gestürzt hat“, sprach Gerhard Zahler-Treiber, Steuerexperte von Attac Österreich. Er kritisierte den IV-Plan, vor allem ausgabenseitig zu sparen. „Das geht zu Lasten der Schwächsten, da vor allem der Gesundheits- und Sozialbereich davon betroffen ist.“ Die von der IV angegebenen rund 15 Mrd. Euro an Einsparungen seien „absurd“.
» Wirtschaftskammer: Der Weg, ohne neue Steuern und Abgaben, aber mit nachhaltigen Reformen eine Steuersenkung zu ermöglichen, sei „der richtige Ansatz“, erklärte WKÖ-Präsident Christoph Leitl. Statt neuer Eigentumssteuern – wie sie Gewerkschaft und Arbeiterkammer fordern – setze die Industrie ebenso wie die Wirtschaftskammer Österreich auf Strukturreformen und damit verbundene Einsparungen in der Verwaltung, im Pensions- und Gesundheitssystem.