Kommentar: Warum es nicht reicht
Vor allem auch aus der Wirtschaft kommt harsche Kritik für die Budgetpolitik – nicht nur auf Bundes-, sondern explizit auch auf Landesebene. „Ein Unternehmen, das Jahr für Jahr neue Schulden macht, ohne gleichzeitig klare Strukturreformen und Zukunftsstrategien umzusetzen, würde in dieser Form nie bestehen können“, hat Kilian Dorner, Vorstandsmitglied der Jungen Industrie, jüngst festgestellt. Es ist korrekt. Ex-IV-Präsident Martin Ohneberg ortet eine Finanzpolitik im Blindflug, zumal selbst das einstige Vorzeigeland Vorarlberg groß Schulden macht.
Wie hat es so weit kommen können? Wie ist es möglich, dass die vielen Steuern und Beiträge, die eingezahlt werden, nicht reichen? Antwort: Es hat mit Regierenden zu tun, die vor National- und Landtagswahlen beschwichtigend unterwegs sind und im Übrigen erst handeln, wenn es nicht mehr anders geht. Außerdem ist es auf Rücksichtslosigkeit gegenüber nachfolgenden Generationen zurückzuführen – und die Tatsache, dass sich das alles zusammen in Zeiten einer Rezession sowie einer massiven Inflation doppelt- und dreifach rächt.
Wo soll man anfangen? Vielleicht um fünf vor zwölf: Die überwiegend fetten Jahre, die es bis 2019 gegeben hat, sind nicht genützt worden, um Österreich, auf welcher Ebene auch immer, fit zu machen. Es ist damit schon ausgepowert in die Krisenphase seit 2020 gegangen. Längere „Koste es, was es wolle“-Politik lief ausschließlich auf Pump. Schlimmer: Infolge der Rezession fließt weniger Steuergeld in die Kassen, als es unter normalen Umständen der Fall wäre. Zugleich führt die massive Inflation zu höheren Ausgaben; zum Beispiel für das Personal, also für Polizisten, Lehrer, Elementarpädagogen, Pfleger und andere, deren Gehälter einigermaßen angepasst werden müssen.
Budgetprobleme haben sich damit vervielfacht. Groß wären sie auch sonst gewesen, weil in der Vergangenheit wenig bis nichts zur Entschärfung der demographischen Bombe geschehen ist: Man weiß schon lange, dass die Bevölkerung im Erwerbsalter allmählich zurückgeht. Dass es immer mehr Ältere gibt und die Finanzierung der Pensionen in einem umlagefinanzierten System daher eine wachsende Herausforderung ist. Außerdem ist es keine Überraschung, dass Gesundheits- und Pflegekosten mit der Alterung zunehmend stärker steigen, was in Summe Bund, Ländern und Gemeinden gleichermaßen zusetzt. Größere Reformen sind in den vergangenen 20 Jahren jedoch keine durchgeführt worden.
Die Wahrheit ist, dass sich eine Steuersenkung vor diesem Hintergrund auf Jahre hinaus nicht ausgehen wird. Dass eher weitere Belastungen in Form von Leistungskürzungen oder Steuererhöhungen drohen – schlicht weil man es fünf nach zwölf hat werden lassen.
Wobei: Die Wahrheit ist den (meisten) Menschen zumutbar. Es wäre zum Beispiel viel gewonnen, mit längerfristigen Perspektiven zu arbeiten und die jetzige, wahlfreie Zeit zu nützen, um zu klären, was man sich in Zukunft noch leisten will, wie es finanziert werden soll und wo man im Jahr 2050 stehen möchte. Ja, vielleicht würde gerade darin sogar die letzte Chance für die politische Mitte von Bregenz bis Wien liegen, von der Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) diese Woche gesprochen hat.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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