“Wäre ein Genickbruch”

Tourismusbranche sieht bei geplanter Mehrwertsteuererhöhung Existenz bedroht.
Schwarzach. Es gibt Meldungen, die glaubt man kaum. So ging es vielen Betroffenen, als sie die Nachricht von Finanzminister Hans Jörg Schelling vernahmen, der überlegt, die Mehrwertsteuer anzuheben. Und zwar in Bereichen mit einem begünstigten Mehrwertsteuersatz von derzeit zehn Prozent. Das sind unter anderem Bücher, Zeitungen, Theater- und Konzertkarten, Schnittblumen, Hotelnächtigungen oder Kanalgebühren. Alles Bereiche, die nicht nur Urlaubsgäste, sondern sehr wohl auch die Bevölkerung angehen. Denn auch ein Vorarlberger geht gerne essen oder ins Theater.
Die betroffenen Branchenvertreter reagieren erwartungsgemäß mit Empörung auf die geplante Anhebung auf 20 Prozent. Wobei Empörung noch milde ausgedrückt ist. Hans-Peter Metzler, Spartenobmann der Vorarlberger Tourismus- und Freizeitwirtschaft, spricht im Gespräch mit den VN von einem „Genickbruch für die Tourismusbranche“. Mit einem Schlag würden die Betriebe mit dem Rücken an der Wand stehen. Dass das nicht bloß ein „Gejammer“ eines Branchenvertreters ist, wird schnell deutlich. Ansonsten könne man sich gerne die Bilanzen der Hotels anschauen. „Die Eigenkapitalstruktur im Tourismus liegt weit hinter allen anderen Branchen zurück.“ Das würden auch alle Steuerberater oder andere Experten bestätigen. Eine Mehrwertsteuererhöhung könne man also nicht einfach „schlucken“. Man befürworte zwar eine Steuerreform, auch weil man für die Mitarbeiter mehr Netto vom Brutto wolle. Aber dass man in Phasen einer labilen wirtschaftlichen Situation den kleinen und mittleren Unternehmen derart ins Herz fährt und deren Substanz gefährde, versteht Metzler nicht. Man werde sich mit allen Mitteln dagegen wehren.
Anderes wird zur Banalität
Dass es überhaupt einen ermäßigten Steuersatz gibt, sei ja kein Zufall. Nicht umsonst hätten die Schweiz (3,8 %) oder Deutschland (7 %) ihre Mehrwertsteuersätze unlängst gesenkt. Dort hätten die Betriebe deshalb unglaublich investiert und so aufgeholt. Unbestritten ist, dass der Tourismus standortgebunden und klein- und familiär strukturiert ist. Man könne also nicht einfach gehen, wenn es einem in Österreich nicht mehr passe. Zudem bringe man rund eine Milliarde Euro pro Jahr von außen ins Land. Und ein Teil dieses Geldes der Gäste werden, wiederum verteilt – an landwirtschaftliche Produzenten, an Gewerbebetriebe, den Handel, den Verkehr. Allesamt Zulieferer, die vom Tourismus profitieren. „Wir haben uns immer positiv entwickelt die letzten Jahre, also antizyklisch, haben mehr Beschäftigte eingestellt. Jetzt geht es um die Existenz“, macht auch Spartengeschäftsführer Harald Furtner deutlich. Da würden sogar andere bürokratische Hürden wie die Allergenverordnung oder das Raucherthema im Vergleich plötzlich zu Banalitäten.
Nicht 1 zu 1 weitergeben
Dass man eine etwaige Mehrwertsteuererhöhung dann einfach an den Gast weitergebe, funktioniere in der Realität nicht. In einem Verdrängungswettbewerb spiele das Preis-Leistungs-Verhältnis eine entscheidende Rolle. „Wenn wir die Preise anheben, dann um unsere steigenden Kosten für Mitarbeiter, Energiepreise oder regionale Produkte abzudecken“, erklärt Branchensprecher Metzler. Nicht umsonst sind Regionalität und Gastfreundschaft in der Tourismustrategie 2020 verankert. Dieses umzusetzen kostet Geld.
Nicht auszumalen, wenn dann auch noch die Zinsen steigen würden. Denn derzeit brauche man das verdiente Geld, um die Zinsen zurückzuzahlen. „Wir haben einen extrem hohen Investitionsbedarf“, begründet Metzler weiter. Durch eine Erhöhung würde man den Tourismusbetrieben schlichtweg die Luft wegnehmen und auch der Bereitschaft der Kinder, den elterlichen Betrieb zu übernehmen, sei dies nicht zuträglich.
Hoffnung auf Hausverstand
Die Hoffnungen von Metzler und Furtner sowie der gesamten Branche liegen nun in Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans Jörg Schelling, „dass sie die Zusammenhänge verstehen und Hausverstand walten lassen“.
Diese Hoffnungen dürften auch die Floristen und Gärtner haben. Innungsmeister Rudolf Hajek ist entrüstet über den völlig unverständlichen Vorschlag: „Man kann den Bürgern nicht finanzielle Erleichterung versprechen und den Konsumenten das Geld im gleichen Atemzug wieder wegnehmen.“ Für seine Branche bedeute eine Mehrwertsteuererhöhung „den absoluten Ruin“.