Der Blick in die “Glaskugel”

Aktienanalyst Helge Rechberger über Rekord-Dividenden, das optimale Portfolio und Prognosen für 2015.
Schwarzach. (VN-reh) Ein Zinstief wie das aktuelle müsste eigentlich viel mehr Menschen in Aktieninvestments bringen. Glaubt man zumindest. Dazu kommt, dass 2014 ein gutes Börsenjahr war und es global wohl ein Rekord-Dividendenjahr geben wird. Dennoch bauen viele immer noch aufs Sparbuch. Österreich ist kein Land der Aktienkäufer. Ist der Leidensdruck noch zu niedrig? Helge Rechberger ist einer, der es wissen muss. Der Leiter der RBI-Aktienmarktanalyse und Co-Geschäftsführer von Raiffeisen Research sprach zusammen mit Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, beim diesjährigen Zinsgespräch der Vorarlberger Raiffeisenbanken am gestrigen Donnerstag vor über 1000 Zuhörern im Kulturhaus Dornbirn.
Rechberger sieht in der Volatilitätsangst, der Angst vor Schwankungen, den Hauptgrund. Dabei bringe der Aktienmarkt nicht nur das Risiko eines Kursverlustes sondern vielmehr Chancen auf einen Gewinn.
Ölpreisprofiteure stark
Interessante Investments sieht der Analyst vor allem in Unternehmen, die von der Währungsrelation Euro zu Dollar profitieren. „Es ist ratsam, den Dollarblock stärker zu gewichten“, betont Rechberger. Beispielsweise durch Investments in stark exportorientierte Unternehmen im Euroraum. Ebenfalls interessant seien Firmen, die vom schwachen Ölpreis profitieren. Als Beispiel nennt er US-Unternehmen, die energieintensiv sind, oder auch Airlines. Zu Vorsicht rät er hingegen bei der Gewichtung von Energietiteln. Die Baubranche sei zwar ein Lichtblick, dennoch müsse man hier aufgrund der fehlenden Visibilität auf der Hut sein.
Eine Übergewichtung sei in Asien interessant. Dort seien aktuell neben China und Indien auch die Tigerstaaten (z.B Südkorea, Taiwan, Singapur) attraktiv. Risiken sieht der Experte in Russland oder Brasilien. Brasilien wegen der Rohstoffseite, Russland aufgrund der Sanktionen und der Rezession. „Es gibt aber auch Perlen im Agrar- oder Exportbereich, die vom schwachen Rubel profitieren“, sagt Rechberger.
Dass sich Blue Chips wie Nestlé oder Coca Cola zum Teil auf Höchstkursen bewegen, mindere deren Attraktivität nicht. Denn sie würden auch so gut wie noch nie verdienen. Deren Bewertung sei noch nicht überzogen. „Rekordkurse aber auch Rekordgewinne. Letztlich ist derzeit nichts so billig wie Aktien“, betont Rechberger. Anleihen würden eher an Überteuerung leiden. Man habe hohe Dividenrenditen im Vergleich zum Anleihenmarkt. Bei Staatsanleihen in der Eurozone müsse man da schon nach Griechenland schauen.
Wiener Börse holt auf
Auch die Wiener Börse soll im kommenden Jahr – nachdem sich die Kurse 2014 aufgrund massiver Gewinnrevisionen der Unternehmen und der Betroffenheit durch die Verwurzelung mit Osteuropa und Russland enttäuschend waren – wieder eine bessere Entwicklung nehmen. Generell gelte aber für alle Investments: Der risikofreie Zinssatz ist Vergangenheit. Eine hohe Rendite ohne Risiko gibt es de facto nicht mehr. Für vier Prozent Rendite müsse man heute auch ein hohes Risiko eingehen.
Inflationsgeschützte Anleihen sind für Rechberger indes derzeit noch kein Thema. Lieber ein Investment in Fremdwährungen. In Dollar, Britisches Pfund oder Schweizer Franken. Abraten würde Rechberger indes von Währungen aus „emerging markets“. Generell sollten „Exoten“ für den Privatanleger kein Thema sein. Und auch um die skandinavischen Währungen sei es ruhiger geworden.
Gold nicht sicher
Bei Gold sieht der Analyst den Plafond ausgereizt. Die Sorgen von einem Euro-Verfall seien vom Tisch, der Preis hoch und volatil. „Er kann von 1900 Dollar auf 1200 Dollar fallen und genauso auf 600 Dollar. Gold ist also nicht sicherer als eine Aktie“, ist er überzeugt.