“Haupterfolgsfaktor sind die Stammgäste”

Markt / 19.12.2014 • 21:22 Uhr
Christian Schützinger startete als Tourismusdirektor in Abtenau (Salzburger Land) seine Karriere. Im Jahr 1998 zog es ihn dann beruflich nach Vorarlberg. Fotos: VN/Hartinger
Christian Schützinger startete als Tourismusdirektor in Abtenau (Salzburger Land) seine Karriere. Im Jahr 1998 zog es ihn dann beruflich nach Vorarlberg. Fotos: VN/Hartinger

Dornbirn. Christian Schützinger ist seit elf Jahren der oberste Touristiker in Vorarlberg. Im Interview spricht er darüber, was der Tourismus für das Land leistet, wie man jedes Jahr neue Rekorde schafft und wie man als gebürtiger Salzburger den Gästen Vorarlberg schmackhaft macht.

Der Tourismus wird nun auch von der Politik immer mehr als wichtiger Wirtschaftsmotor wahrgenommen. Woher kommt dieser Sinneswandel?

Schützinger: Die Wertschätzung hat deutliche Verbesserung erfahren. Das hängt damit zusammen, dass in Zeiten der Wirtschaftskrise sichtbar geworden ist, dass die Tourismuswirtschaft kontinuierlich ihr Niveau halten konnte. Da hat man von der Politik zur Kenntnis genommen, dass das Reisen ein starkes Grundanliegen der Menschen ist, ein hohes Gut. Auch hat man erkannt, dass der Tourismus nicht auslagerbar ist, er ist also auch standortstabil. Zudem bietet der Tourismus Sicherheit für den ländlichen Raum, wirkt der Abwanderung entgegen und sichert die wirtschaftliche Stabilität.

Die Sommer- und Wintersaisonen bringen in Vorarlberg regelmäßig Rekordergebnisse. Machen diese Rekorde aufgrund der hohen Erwartungshaltung ihre Arbeit schwieriger?

Schützinger: Es stellt sich immer die Frage, wo geht es hin. Wir hatten Anfang der 90er-Jahre, unmittelbar nach der Ostöffnung, eine enorme Reisewelle. Dies brachte einen enormen Schwung an Gästen und das Land hat aufgestöhnt, denn man hatte das Gefühl, das Land ist voll. Das war eine Grenze, die die Bevölkerung nicht mehr akzeptiert hat. Da waren wir bei neun Millionen Übernachtungen. Jetzt sind wir bei 8,5 Millionen. Mehr als die Steigerungen beschäftigt uns aber die Wertschöpfung.

Nennen Sie uns ein Beispiel?

Schützinger: Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir unseren Gästen gute, wertvolle Produkte anbieten können, für die sie auch gerne bezahlen. Zum Beispiel bezahlt ein Gast für das Wandern an sich nichts. Die Frage ist, ob man durch geführte Wanderungen verkaufbare Leistungen mitanbieten kann. Dadurch verlängert sich dann die Wertschöpfungskette.

Wie schafft man es überhaupt, jedes Jahr Millionen Gäste ins Land zu bringen?

Schützinger: Es gibt einen Haupterfolgsfaktor, und das ist die Stammgästebindung. Ich habe kein anderes Bundesland erlebt, das so einen hohen Anteil hat. Über 60 Prozent sind Stammgäste. Das heißt, die Gastgeber machen ihren Job sehr gut. Viele neue Gäste kommen dann wegen Empfehlungen der Stammgäste. Durch die Stammgästebindung sind wir auch stabil, was die Herkunftsländer anlangt. Wir sind aber bemüht, auch Gäste aus anderen Ländern ins Land zu bringen, um einen Mix hineinzubringen.

Was braucht es für mehr Wachstum? Verbesserungen bei der Auslastung oder überhaupt mehr Hotels?

Schützinger: Es gibt einen Wandel in der Beherbergungsinfrastruktur. Wir haben einen hohen Anteil an Privatzimmervermietern. Da sehen wir, dass klassische Zimmer zu Appartements umgebaut werden. Dadurch geht die Anzahl der verfügbaren Betten zurück. Und einige wollen ganz mit der Vermietung aufhören. Wir brauchen also neue Betten. Es ist aber kein Wachstum, sondern eher ein Ersatz, damit wir unsere Bettenzahl halten können. Zu den Randzeiten gibt es natürlich auch Verbesserungsmöglichkeiten bei der Auslastung. Diese verbessert sich aber kontinuierlich, weil die Saisonen länger geworden sind. Das gilt ganz besonders für den Sommer. Viele Hotels starten schon Ende April bis in den Herbst hinein.

Sie sind eigentlich aus Salzburg. Ist es schwerer, ein anderes Bundesland zu verkaufen?

Schützinger: Ich habe den Vorteil, dass ich einen Bezug zum Land habe, weil meine Frau Vorarlbergerin ist. Ich könnte aber nicht für jedes Bundesland arbeiten. Ich habe meine Überzeugungen und Wahrnehmungen, und es gibt Regionen, die das ganz anders praktizieren. Beim Destinationsmanagement, also dem Organisieren von Tourismusgebieten in größeren Einheiten, war Vorarlberg Vorreiter und deshalb war es für mich spannend, in dieser Phase hierher zu wechseln. Ich komme auch mit der Mentalität der Vorarlberger gut zurecht, ich bin nur nicht ganz so pünktlich wie sie.

In der Tourismusstrategie 2020 dreht sich alles um Gastfreundschaft, Regionalität und Nachhaltigkeit. Sind das nicht Dinge, die selbstverständlich sind?

Schützinger: Das sind auf den ersten Blick eher weiche Faktoren und nicht das coole „business-wording“. Wir wissen aber, dass wir dort die Substanz haben. Woanders würde das vielleicht „schreierischer“ formuliert werden. Auch deshalb ist die Strategie so bemerkenswert. Wir wollen das Handwerkliche sichtbar machen. Das hat sehr viel mit den handelnden Personen zu tun. Wir wollen generationsübergreifend diese Art von Tourismus sicherstellen, damit es auch in der nächsten Generation Menschen gibt, die in dieser Branche arbeiten wollen.

Mit der Vorarlberger Tourismusstrategie 2020 sind wir auch für die Zukunft sehr gut aufgestellt.

Christian Schützinger ist stolz auf das Tourismusland Vorarlberg.
Christian Schützinger ist stolz auf das Tourismusland Vorarlberg.

Kennzahlen

Vorarlberg Tourismus GmbH

» Gründung des Landesverbandes: 1893

» Gründung der GmbH: 2014

» Gesellschafter: Land Vorarlberg (75 %), Wirtschaftskammer Vorarlberg (25 %)

» Mitarbeiter: 20

» Kernaufgaben: Marktbearbeitung, Kommunikation der Marke Vorarlberg, Tourismuswerkstatt

Zur Person

Mag. Christian Schützinger

Landestourismusdirektor, Geschäftsführer der Vorarlberg Tourismus GmbH

Geboren: 27.11.1965 in Salzburg

Ausbildung: Studium Publizistik und Sportwissenschaften an der Universität Salzburg, Universitätslehrgang für Marketing, Incoming-Konzessionsprüfung, internationaler Destinationslehrgang

Laufbahn: Tourismusdirektor in Abtenau, Mitgründer der Destination Lammertal; 1998 bis 2003 GF Tourismusdestination Bodensee-Alpenrhein; seit 1.7.2003 Landestourismusdirektor und GF der Vorarlberg Tourismus GmbH

Familie: verheiratet und Vater zweier Kinder