„Jugendlichen eine Chance geben“

Im ÜAZ helfen sieben Ausbilder besonderen Lehrlingen auf die Sprünge.
Das Überbetriebliche Ausbildungszentrum (ÜAZ) bietet derzeit 45 Jugendlichen, die auf der Suche nach einer Lehrstelle bislang erfolglos geblieben sind, eine Lehre in den Bereichen Tischlerei, Zimmerei, Lagerlogistik und Malerei an. Wie schwer oder einfach ist eine Zusammenarbeit mit den Jugendlichen?
Fleisch: Naturgemäß beginnen bei uns Lehrlinge ihre Ausbildung, die keine Lehrstelle in der Wirtschaft gefunden haben. Dementsprechend ist die Zusammenarbeit – vor allem am Anfang – nicht ganz einfach. Aber wir holen die Jugendlichen dort ab, wo sie sich gerade befinden, und versuchen, ihnen die Sinnhaftigkeit einer guten Ausbildung begreiflich zu machen.
Welche Eigenschaften helfen dabei?
Fleisch: Fachliche Kompetenz, viel Geduld und sehr gute Nerven. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man bedenkt, dass schon über 119 Lehrlinge erfolgreich bei uns abgeschlossen haben.
Was sollten künftige Lehrlinge haben?
Fleisch: Sie müssen wollen.
Welche Philosophie herrscht bei euch im Haus, die es mitzutragen gilt?
Fleisch: Den Jugendlichen eine Chance zu geben.
Wie kann man sich den Start beim ÜAZ vorstellen?
Fleisch: Lehrbeginn ist bei uns jeweils Anfang November. Das soll verhindern, dass wir der Privatwirtschaft „gute“ Lehrlinge wegnehmen. Das AMS vermittelt uns ausnahmslos Lehrlinge, die bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Lehrstelle gefunden haben.
Wie wird ausgebildet, wo liegen die Schwerpunkte?
Fleisch: Die Ausbildung erfolgt wie in einem normalen Lehrbetrieb auch. Allerdings liegt der Fokus auch auf der Stärkung der Sozialkompetenz (Umgang mit dem ganzen Team, Schulden- und Drogenberatung, Umgangsformen usw.)
Worin unterscheidet sich die Ausbildung zu herkömmlichen Lehren noch?
Fleisch: Die Herausforderung ist, dass die Jugendlichen bei uns zwar eine vollwertige Ausbildung mit Lehrabschlussprüfung machen, aber nicht nach Kollektivvertrag bezahlt werden. Leider ist das oft Anlass für Abbrüche durch die Lehrlinge.
Was ist den jungen Menschen wichtig?
Fleisch: Die Lehrlinge bekommen bei uns nur eine Ausbildungsentschädigung im 1. und 2. Lehrjahr in Höhe von € 301,80 und im 3. Lehrjahr in Höhe von € 697,80, allerdings ohne Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld. Ich bin mir aber ganz sicher, dass sie mit Weihnachts- und Urlaubsgeld etwas anzufangen wissen.
Was wird ihnen außerdem geboten?
Fleisch: Wir veranstalten mit unseren Lehrlingen einmal in der Woche ein Sozialkompetenztraining, einmal im Jahr Hüttentage mit Wandern usw. Nach der Gesellenprüfung dürfen wir unsere Lehrlinge in die Privatwirtschaft entlassen.
Warum, denken Sie, wurde Ihr Betrieb ausgezeichnet?
Fleisch: Wir haben die Auszeichnung bereits zum zweiten Mal erhalten. Wir kümmern uns in allen Belangen um unsere Lehrlinge, deshalb haben wir auch eine Sozialpädagogin im Haus.
Nimmt das Unternehmen an Lehrlingswettbewerben teil?
Fleisch: Ja, und bis jetzt haben wir bei den Tischlern und Malern auch immer mit gutem Erfolg abschließen können.
Welche besondere Karrieren gibt es?
Fleisch: Bei einem Lehrling dachten wir, dass sie nie im Leben eine gute Tischlerin wird. Jetzt ist sie schon drei Jahre bei einem renommierten Betrieb und hat ihr eigenes Montageteam.
Zur Person
Markus Fleisch
Ausbildung: Lehre, Meisterprüfung Tischler
Laufbahn: Lehre Tischlerei Mathis, Tischlerei Weissensberg, Olina, ÜAZ Hohenems Lehrlingsausbilder, seit April 2006 Leitung ÜAZ Hohenems
Familie: verheiratet, drei Kinder
Hobbys: Eishockey, Skifahren