„Jawohl, wir sandeln ab”

Die Steuerreform wird ein politischer Bauchfleck, sagt Ex-Finanzminister Androsch.
Lech. (ee) In seinem Urlaubsort Lech nahm Hannes Androsch (77) gegenüber den VN zu einer Reihe von Fragen Stellung. Demnächst gibt er zusammen mit dem ehemaligen ÖVP-Politiker Josef Taus das Buch „Österreich – wohin soll das Land gehen?“ heraus.
Werden wir in fünf Jahren noch den Euro haben oder wird die Währungsunion zerbrechen?
androsch: Ja, auch in fünf Jahren wird es noch die EU und den Euro geben. Voraussetzung ist aber eine stärkere Integration. Eine EU-Erweiterung kann ich mir noch um die westlichen Balkanstaaten vorstellen. Wir brauchen dringend eine gemeinsame europäische Finanz-, Außen- und Sicherheitspolitik. Das zeigt sich drastisch im Fall der Ukraine. Dazu ist es aber auch notwendig, dass die EU-Mitgliedstaaten Souveränitätsrechte abgeben. Nur so wird Europa im Spiel der Mächtigen gleichberechtigt mittun können und nicht Spielball der anderen sein.
Droht uns eine Deflation, und was wäre daran so gefährlich?
androsch: Mit einer einseitigen Sparpolitik ist Europa in die Austeritätsfalle getappt. Nun laufen wir in Gefahr, in eine Deflationsspirale zu geraten. Es ist nicht einfach so, dass in einer Deflation unbedingt alles billiger wird. Preise für Nahrungsmittel und Betriebskosten für Wohnungen (nicht die Mieten) werden nicht sinken. Und weil alle damit rechnen, dass die Preise weiter nachgeben werden und abwarten, wird insgesamt weniger konsumiert und investiert. Das wiederum erhöht die Arbeitslosenzahlen.
Wie beurteilen Sie die Diskussion um eine Steuerreform?
Androsch: Eine Steuerreform mit einer Progressionsmilderung ist längst überfällig. Aber die Politik hat sich mit der laufenden schrägen Diskussion über die Steuerreform in ein Minenfeld begeben. Von einem Tag auf den anderen gibt es Widersprüche. Meiner Meinung nach wird das Ganze ein politischer Bauchfleck.
Wie soll es mit Griechenland weitergehen?
Androsch: Es muss jetzt darum gehen, für Griechenland eine geeignete Therapie mit einer verträglichen Medikation zu finden. Schon Paracelsus wusste, dass die Überdosis eines Heilmittels zum Gift werden kann. Im übertragenen Sinn gilt das auch für negative soziale Nebenwirkungen, also Arbeitslosigkeit und fehlende Perspektiven. Natürlich müssen dem Land Bedingungen und Verpflichtungen für Reformen auferlegt werden. Im Gegenzug muss es dafür aber gezielte Unterstützungen geben und eine verträgliche Schuldenhöhe eingezogen werden. Ein noch größerer Fehler als die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone wäre der Grexit: nicht nur für die Griechen, sondern für alle Länder der Eurozone und der EU.
Für WKÖ-Präsident Leitl ist der Standort Österreich abgesandelt. Teilen Sie diese Meinung?
Androsch: Statt in die Spitzengruppe aufzuschließen, haben wir bei der Standortattraktivität an Terrain verloren. Wir erleben einen Rückfall bei der Wettbewerbsfähigkeit, haben eine Rekordarbeitslosigkeit und die höchste Inflationsrate. Jawohl, wir sandeln ab, weil wir keine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik machen. Wir verwalten den Stillstand. Veränderungen werden verweigert, Reformen blockiert. Wir hauen das Geld zum Fenster hinaus, als Beispiel nenne ich nur die Hacklerregelung, und setzen falsche Prioritäten in politischer Gegenwartsbesessenheit und unverantwortlicher Zukunftsvergessenheit. Hätten wir unsere Hausaufgaben gemacht, würden wir besser dastehen.
Wie sehen Sie die Zukunft?
Androsch: Wir haben schon Zeiten mit besseren Aussichten gehabt. Was die Ukraine betrifft, so sind viele Fehler passiert. Die USA versuchen, die EU zu schwächen. Es muss aber klar werden, dass Russland und Europa sicherheitspolitisch und ökonomisch siamesische Zwillinge sind. Das gilt für Russland mehr als für die EU. Wenn die Auseinandersetzung zwischen Europa und den USA so weitergeht, dann wird China der lachende Dritte sein.