Wunsch und Wirklichkeit
Wenn das Betriebsklima stimmt, dann ist der Zahltag gar nicht so wichtig, lautet eine – wie sich nun herausstellt – Binsenweisheit, der Personalchefs und -berater gerne nachhängen. Das stimmt vielleicht anderswo, aber in Vorarlberg und Tirol jedenfalls nicht so sehr. Für mehr als 40 Prozent der Vorarlberger ist es doch der Lohn, der schlussendlich den Ausschlag bei der Wahl des Arbeitsplatzes gibt, das ist Österreichrekord. Andere Voraussetzungen werden als selbstverständlich angenommen: Ein positives Arbeitsklima erwarten sich 70 Prozent der Arbeitnehmer im Land, fünf Prozent weniger als im österreichischen Schnitt. Einen guten Vorgesetzten suchen laut der Umfrage nur 55 Prozent, über Schwächen des Chefs sehen sie hinweg, wenn der Zahltag stimmt.
Was aber in den Chefetagen die Alarmglocken schrillen lassen sollte, ist die Unzufriedenheit der Mitarbeiter. Trotz prekärer Lage am Arbeitsmarkt wäre jeder dritte Arbeitnehmer in Vorarlberg bereit, den Arbeitsplatz zu wechseln, nur noch 50 Prozent wollen in „ihrem“ Betrieb alt werden. Nützen denn all die Work-Life-Balance-Programme nichts, das ganze Bündel an Zusatzleistungen, das die Arbeit süßer machen soll?
Sind die Arbeitnehmer im Vierländereck Deutschland, Liechtenstein, Schweiz und Vorarlberg anspruchsvoller als jene über dem Arlberg? Oder müssen Sie einfach mehr Geld in die Hand nehmen, um den Lebensunterhalt im teuren Vorarlberg finanzieren zu können? Und: Wären Sie denn wirklich zufriedener mit ihrer Arbeit und ihrem Unternehmen treuer, wenn ihre Arbeitgeber die Lohntüte besser füllen würden?
Wie treffsicher die Umfrage eines der größten Karrierenetzwerke im Internet ist, bleibt offen. Doch kleinreden sollten die Personaler die Unzufriedenheit nicht. Denn trotz hoher Arbeitslosigkeit im Land herrscht Mangel an hochqualifizierten Mitarbeitern. Und die sind am Erfolg des Standortes Vorarlberg, da sind sich die Chefs uneingeschränkt einig, maßgeblich beteiligt. Ein Aderlass bei diesen Spitzenkräften ist für jede Firma schmerzhaft.
Akut wird sich die Unzufriedenheit nicht auf die Bilanz des Standorts niederschlagen, langfristig aber muss ein Rezept gefunden werden, damit der „great place to work“ auch wirklich attraktiv bleibt. Mit einer Steuerreform alleine werden sich die gesuchten Fachkräfte nämlich nicht zufriedengeben. Das ist, wie die Umfrage zeigt, eher ein Wunsch der Chefs denn die Wirklichkeit im Arbeitsalltag.
Nützen denn all die Work-Life-Balance-Programme nichts, die den Angestellten die Arbeit versüßen sollen?
andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862
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