“Druck haben wir uns immer selbst gemacht”

Markt / 26.06.2015 • 20:44 Uhr
Bernhard (l.) und Stefan Marte haben ihr Büro in ihrem Elternhaus, einem alten Bauernhaus in Weiler. „Langsam sind wir aber herausgewachsen“, sagen sie. Deshalb wurde schon ein zweites Haus dazugemietet. Fotos: Stiplovsek
Bernhard (l.) und Stefan Marte haben ihr Büro in ihrem Elternhaus, einem alten Bauernhaus in Weiler. „Langsam sind wir aber herausgewachsen“, sagen sie. Deshalb wurde schon ein zweites Haus dazugemietet. Fotos: Stiplovsek

Weiler. Die Brüder Bernhard und Stefan Marte haben vor 22 Jahren ihr gemeinsames Architekturbüro in Weiler gegründet. Sie sind nicht immer einer Meinung, aber genau das ist eines ihrer Erfolgsgeheimnisse. Im Interview sprechen sie über ihre Art der Zusammenarbeit, wieso sie sich nur selber Druck machen und was sie an Wettbewerben so gerne mögen.

Sie zählen zu den international renommiertesten Architekten Vorarlbergs. Wie wird man das?

bernhard marte: Ich weiß nicht, ob wir renommiert sein möchten. Oder ob man renommiert werden kann. Ich glaube, man kann überzeugt sein von dem, was man tut und an einem Weg festhalten, den man geht und in erster Linie harte Arbeit leisten. Ich glaube man braucht drei Dinge: Man muss Talent, ein unglaubliches Durchhaltevermögen und viel Glück haben. Und man muss auch den richtigen Auftraggeber finden. Das Glück haben wir mehrfach gehabt.

Stefan Marte: Wir haben unsere Architektursprache in eindeutiger Art und Weise weiterentwickelt und unseren ganz eigenen Weg gefunden. Wir haben immer versucht, trotz Regionalbezug, auch international Projekte zu entwickeln, die eine offene Haltung einnehmen. Das hat es uns bei Wettbewerben im Land nicht immer leichter gemacht. Es gab eine Phase, in der wir österreichweit leichter gewonnen haben als in Vorarlberg.

Wie würden Sie Ihre Auffassung von Architektur beschreiben?

B.M.: Unsere Herangehensweise ist sehr konventionell. Wir hören uns an, was der Bauherr gerne möchte und machen dann das, was wir glauben, was er unbedingt haben sollte. Das deckt sich oft nicht. Wir möchten  niemanden überreden, aber etwas machen, das neben der Funktionalität auch einen gewissen Mehrwert für den Bauherrn hat. Nur die Funktion zu erfüllen, ist uns zu wenig.

Sie nehmen an vielen Wettbewerben teil und haben auch viele gewonnen. Welche Voraussetzungen muss eine Ausschreibung haben, damit Sie teilnehmen?

B.M.: Wir machen unglaublich gerne Wettbewerbe. Entwürfe bedeuten für uns Leidenschaft und Leben. Wir glauben, dass wir zu jedem Projekt eine besondere Aussage machen können. Wir machen alles gerne – von der Brücke bis hin zum Museum. Hauptsache, es hat einen gestalterischen und funktionalen Mehrwert.

S.M.: Wir haben in den letzten Jahren gelernt, herauszuhören, ob unser Gegenüber Ambitionen hat und ob der Wille ernst gemeint ist. Es war auch schon so, dass wir bei einem Hearing die handelnden Personen kennengelernt haben und gesehen haben, dass nichts da ist. Da sind wir wieder heimgefahren.

Ihre Bauten provozieren oft, es gab auch schon Proteste, wie geht man damit um?

S.M.: Wir sind persönlich betroffen und gekränkt. Wir wollen ja nichts Schlechtes. Deshalb verstehen wir nicht, wenn man dann auch persönlich angegriffen wird. Jedes unserer Projekte ist ernst gemeint und ein Teil, den wir von uns hergeben. Dass wir dann aber sagen, wir machen das Projekt nicht, diese kindliche Ebene gibt es bei uns nicht. Wir sind kompromissbereit, und wenn es Lösungsansätze gibt, sind wir mehr als bereit, neue Wege zu suchen.

Wächst der Druck mit dem Erfolg?

B.M.: Wir sind vom ersten Tag an unter Druck gestanden. Aber nicht, weil jemand anderer auf uns geschaut hat, sondern weil wir uns den Druck selbst machen. Wir haben uns die Latte immer hoch gelegt. Insgesamt haben wir in unserem Arbeitsleben aber schon viel mehr erreicht, als wir uns je erträumt haben. Wenn man uns zu Beginn gesagt hätte, ihr erreicht die Hälfte von dem, was wir tatsächlich erreicht haben, wären wir schon zufrieden gewesen. Da gehört schon Glück und Gottes Segen dazu.

S.M.: Wenn das Büro größer oder die Arbeit internationaler wird, hat man schlussendlich nicht mehr oder größere Probleme, sie verlagern sich nur.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit unter Brüdern?

B.M.: Es gibt konträre Sachen, die unglaublich gut zusammenpassen. Wenn jemand einen Vorschlag macht, fühlt sich der andere berufen, das zu hinterfragen. Dadurch, dass jeder etwas anderes versteht, passieren Dinge, die besser werden.

S.M.: Wir sind nicht immer gleicher Meinung. Deshalb braucht es diesen Prozess, um den gemeinsamen Nenner zu finden. Und wenn wir den gefunden haben, ist es nicht immer falsch.

Wie geht es Ihnen als Betonfans im Holzland Vorarlberg?

B.M.: Bestens. Wir haben den Weg nicht eingeschlagen, weil wir unbedingt anders sein wollten. Wir können zwar auch gut in anderen Materialien, aber Beton spricht uns einfach an und wir fühlen uns wohl damit.

S.M.: Das liegt nicht unbedingt an der Vorliebe für das Material, sondern für die Art des Entwerfens. Denn wir mögen freigeformte, strukturell bewegte Konzepte. Und dafür ist Beton ideal.

Wir haben 200 bis 300 Bewerbungen im Jahr. Im Vergleich: Norman Foster hat 120 am Tag.

Die Marte-Brüder bauen modern, sind aber auch große Fans des Alten. Ein Gespräch in der idyllischen Atmosphäre des elterlichen Bauernhauses.
Die Marte-Brüder bauen modern, sind aber auch große Fans des Alten. Ein Gespräch in der idyllischen Atmosphäre des elterlichen Bauernhauses.

Kennzahlen

» gegründet: 1993

» Mitarbeiter: 25

» Auszeichnungen: (kleiner Auszug) Hypo Bauherrenpreis 2015, German Design Winner Award 2014, Architizer A+ Award 2014, Häuser Award 2013, Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2010, Staatspreis Architektur für Industrie und Gewerbe 2004

» Wichtige Bauten: (Auszug) Schutzhütte Laterns, Evangelisches Diözesanmuseum Fresach, Freilichtmuseum Römervilla, Rankweil, Landessonderschule Mariatal, Kramsach, Tirol, Schanerloch- und Schaufelschluchtbrücke, Dornbirn, Headquarter S.I.E, Lustenau

» Aktuelle Projekte: (Auszug) Museum Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin, Galerie Niederösterreich, Krems , ASFINAG Autobahnmeisterei, Salzburg, Messehallen 9–12, Dornbirn

Zur Person

Bernhard und Stefan Marte

Geschäftsführende Gesellschafter der Marte.Marte Architekten ZT GmbH Weiler

Geboren: 23. 2. 1966 bzw. 24. 12. 1967

Ausbildung/Laufbahn: Beide absolvierten ihr Architekturstudium an der Technischen Universität Innsbruck. 1993 Gründung des gemeinsamen Büros in Weiler. Beide engagierten sich im Vorstand der Zentralvereinigung der Architekten Vorarlbergs, Stefan Marte ist seit 2005 Präsident des VAI, Vorarlberger Architektur Institut. Zahlreiche Publikationen, Ausstellungen, Jurytätigkeiten.

Familie: Stefan ist verheiratet und hat sechs Töchter, Bernhard ist liiert und hat zwei Stiefsöhne.