Andreas Scalet

Kommentar

Andreas Scalet

Viel reden, aber nichts sagen

Markt / 08.07.2015 • 22:27 Uhr

Kompetenz ist alles, denn es gilt, nur keine Schwächen zu zeigen. Dieses erste Gebot für alle Führungskräfte verlangt Schlagfertigkeit. Damit verbunden ist eine Wortgewalt, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass es ihr gelingt, Bestimmtheit zu simulieren, ohne tatsächlich etwas auszusagen.

 

Das gilt für Topmanager in der Wirtschaft nicht anders als für das politische Spitzenpersonal. Die Führungsriege der meisten Aktiengesellschaften hat nämlich viel gemein mit Politikern, ist doch jede Hauptversammlung eine Wahlveranstaltung. In noch viel kürzeren Zyklen muss die Bilanz möglichst positiv dargestellt werden. Und die Zukunft soll zwar schillernd, aber so unverbindlich präsentiert werden, dass die Aktionäre dem CEO ein Jahr später keinen Strick aus der Vorschau drehen können. Dafür braucht es redenfüllende Floskeln. Da kann es auf keinen Fall schaden, wenn man mit Wort­ungetümen, Fachbegriffen und Bandwurmsätzen das Publikum so verwirrt, dass diesem die Luft weg bleibt, dass es gar nicht mehr wagt, Fragen zu stellen. Schon gar nicht die entscheidenden.

 

Zur Beruhigung: Dass die Zielgruppe oft nicht versteht, was ihr zu Ohren dringt, hat nichts mit Begriffsstutzigkeit zu tun. Das hat Methode. Die deutsche Universität Hohenheim analysiert seit Jahren die Reden von Spitzenmanagern auf ihre Verständlichkeit und stellt ihnen ein schlechtes Zeugnis aus. Zwar ist der Verständlichkeitswert seit Beginn der Untersuchungen im Jahr 2012 gestiegen, aber noch immer zählt das Wissenschaftlerteam Bandwurmsätze mit bis zu 62 Wörtern. Es listet Wortungetüme und Fachbegriffe sonder Zahl auf. Worte, die nur versteht, wer ganz tief in der Materie ist.

 

Sie zeigen mit dem Finger auf Aussagen, die nichts aussagen, die einfach dazu dienen, Zeit für plausible Antworten zu gewinnen. Und man kann lernen, zum Beispiel, wie man eine Verschnaufpause herausschlägt.

Fangen wir mit einer ganz einfachen Situation an. Wenn eine Führungskraft nichts sagen will, nichts zu sagen hat oder von einer Situation überrascht wird, dann wird sie erst „einmal ganz genau prüfen, wie die Sachlage ist“. Sie wird sich „mit Fachleuten austauschen“ oder noch besser; „eine Arbeitsgruppe bilden“ beziehungsweise einen „Ausschuss gründen“. Dann besteht die berechtigte Hoffnung, dass nach kurzer Zeit eh niemand mehr nachfragt, weil schon „die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird“. Aber gerade dann lohnt es sich, nachzubohren.

Dass die Zielgruppe oft nicht versteht, was ihr zu Ohren dringt, hat nichts mit Begriffsstutzigkeit zu tun.

andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862