Industrie stärken
Die österreichischen Exporte erreichten im vergangenen Jahr mit 131,6 Mrd. Euro einen neuen Höchstwert. Eine der wenigen positiven Wirtschaftsergebnisse. Dadurch konnten wir trotz beträchtlicher Energieimporte (12 Mrd. Euro!) eine nahezu ausgeglichene Handelsbilanz und dank der positiven Dienstleistungsbilanz bei der Leistungsbilanz sogar einen Überschuss erzielen.
Zu diesem Ergebnis trug die Industrie mit einem Anteil von 70 Prozent der Warenexporte beträchtlich bei, zusätzlich aber auch die industrienahen Dienstleistungen. In der Industrie unseres Landes sind 420.000 Menschen in durchwegs qualifizierten, also wertvollen Arbeitsplätzen direkt beschäftigt. Die Industrie ist also Motor der wirtschaftlichen Entwicklung und Hauptsäule unseres Wohlstands.
Mit einem Beitrag von 18,7 Prozent zur Wirtschaftsleistung ist unsere industrielle Breite im Vergleich zu Deutschland mit 22,6 Prozent zwar geringer, aber höher als der 15-prozentige EU-Durchschnitt. Zielsetzung der EU ist eine Steigerung auf 20 Prozent. Österreich sollte trachten, diese Marke möglichst rasch durch eine Stärkung und Verbreiterung der industriellen Basis zu erreichen.
Die bisherige industrielle Erfolgskurve erfolgte trotz zunehmender Behinderungen, Erschwernisse und Belastungen. Der ungezügelte Regulierungswahn, die Überbürokratisierung, die exorbitanten Lohnnebenkosten, der Mangel an qualifiziertem Personal trotz Rekordarbeitslosigkeit, schwächelnder Produktivitätszuwachs, die Ineffizienz und die Schieflage der öffentlichen Haushalte samt weiter wachsender Schuldenberge trotz Rekordsteuerbelastung bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Zukunftsaufgaben gefährden unseren Wirtschaftsstandort. Wir verlieren mit wachsender Tendenz an Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsdynamik. Die Investitionstätigkeit ist zurückgegangen.
Diese Entwicklungen müssen geändert werden. Dafür braucht es mehr Investition im Infrastrukturbereich, vor allem den Ausbau des digitalen Netzes (flächendeckendes schnelles Breitbandnetz und WLANisierung) und Förderung der industriellen Investitionen mit Schwerpunkt Industrie 4.0. Bessere Finanzierungsbedingungen, der Kapitalmarkt darf für die Politik kein unbekannter Begriff bleiben, eine Beschleunigung der Innovationsdynamik erfordert vermehrte Förderung und Erhöhung der Forschungsintensität der Universitäten und Forschungseinrichtungen. Die Durchsetzung einer zeitgemäßen Bildungsreform ist überfällig, weil die mit der modernen Arbeitswelt verbundenen digitalen Herausforderungen immer höher und besser qualifizierte Arbeitskräfte erfordern, aber gleichzeitig auch bessere und sicherere Arbeitsplätze entstehen. Es ist ein Gebot der Stunde, ein solches Programm rasch umzusetzen. Nur dann, wenn wir unsere industrielle Basis stärken und wettbewerbsstark ausbauen, kann der Motor für Beschäftigung und Wohlstand zukunftsfähig auf Touren gehalten werden.
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Dr. Hannes Androsch ist Finanzminister i. R. und Unternehmer.
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