Die Bildung ist der Gradmesser

Integra bietet Arbeitssuchenden Bildung und Arbeit. Erste Erfolge bei Flüchtlingsprojekt.
Wolfurt. Sozialromantisch darf man nicht veranlagt sein, auch als soziales Unternehmen nicht. Denn die tägliche Herausforderung, Arbeit und Bildung für arbeitssuchende Menschen zu bieten, besteht nicht nur aus Erfolgsgeschichten. Und dennoch gibt es die Momente, in denen man weiß, dass man vieles richtig gemacht hat. So zum Beispiel bei den vier jugendlichen Flüchtlingen, die heuer durch Integra auf dem Arbeitsmarkt vermittelt werden konnten.
Dass die Erwartungshaltung bezüglich schneller Integration groß ist, wissen die beiden Geschäftsführer, Stefan Koch und Robert Baljak, nur zu gut. Genauso aber auch, dass es nicht auf Knopfdruck funktioniert. Mit dem Projekt „Talent Scout“ werden Flüchtlingen zwischen 15 und 19 Jahren Schlüsselqualifikationen und Arbeitstugenden vermittelt, mit dem Ziel, die jungen Menschen für eine Lehre oder Arbeitsstelle zu qualifizieren. Das braucht seine Zeit. An der Motivation mangelt es nicht, sagt Stefan Koch. Schwieriger sei es beim Durchhaltevermögen, weil ihnen wegen des fehlenden Asylstatus oft die Perspektive fehle. Schließlich seien die Flüchtlinge entwurzelt und hätten kulturelle und sprachliche Probleme. Somit fängt alles mit Bildung an. Das passiert in Form von Deutschkursen. Neben der Wertevermittlung lernen sie in den Praxistrainings verschiedene Berufe kennen, ganz nach dem Motto „learning by doing“. Zudem stellen Betriebe Praktikumsplätze zur Verfügung. Wichtig sei es, ein realistisches Ausbildungsziel zu entwickeln.
550 Plätze bei Integra
Der hohe Anspruch zieht sich bei Integra auch durch die anderen Tätigkeitsfelder. 550 Menschen werden heuer betreut, dazu kommen 90 Beschäftigte, die für die Trainings und die Betreuung der Teilnehmer zuständig sind. Gerade bei jungen Menschen sei es immens wichtig, sie arbeitsfit zu machen, weil sonst die Probleme vorprogrammiert sind. So kann man mithilfe von Integra den Pflichtschul- oder Lehrabschluss nachholen. Aber Höherqualifizierung ist in allen Altersgruppen das Um und Auf, denn von allen Arbeitslosen im Land hat die Hälfte nur einen Pflichtschulabschluss. „Die Lernkompetenz ist das, was über die Stellung, über das Oben oder Unten in der Gesellschaft, entscheidet“, sind die beiden Geschäftsführer überzeugt.
So wird bei Integra versucht, mit Programmen die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Genauso werden Chancen für Menschen geschaffen, die keine Chance am Arbeitsmarkt haben. Für sehr arbeitsmarktferne Personen mit gesundheitlichen oder sozialen Einschränkungen wurde kürzlich ein neues landwirtschaftliches Projekt lanciert, das sich „Neuland“ nennt. Dazu wurde in Lustenau am Heidensand ein alter Gutshof revitalisiert. „Eine Nische, mit der wir niemandem wehtun. Wir wollen mit den Dienstleistungen nämlich nicht in Konkurrenz zu Unternehmen stehen. Dennoch sind es immer kundenorientierte, marktfähige Produkte und Dienstleistungen, mit deren Hilfe Menschen sinnvoll beschäftigt werden“, so Baljak. Genauso passiert das in der neuen Fahrradwerkstatt in Bregenz, in der Bikes geputzt sowie kleinere Reparaturen durchgeführt werden.
Budget zur Hälfte finanziert
11,5 Millionen Euro an Budget hat Integra heuer zur Verfügung. Die Hälfte davon bringt man durch das umfangreiche Dienstleistungsangebot, das neben Privatpersonen und Gemeinden größtenteils von Vorarlberger Unternehmen genutzt wird, selbst mit ein. Das sei sinnvoll. Würde man sich ausschließlich selbst finanzieren, könnte das Motto „eine Chance für alle“ nicht mehr gelten, weil man damit beginnen müsste, auszusieben. Mit diesem Modell könne man jedem eine Perspektive bieten. Allerdings hakt es, denn Förderungen gibt es nur für befristete Projekte, merken Koch und Baljak an. Aber bei Menschen, die nicht qualifizierbar bzw. in den Arbeitsmarkt integrierbar sind, bringe ein Bewerbungstraining rein gar nichts; vielmehr aber ein geförderter Arbeitsplatz und dies auf langfristige Sicht, sind sie sicher.
In Wirklichkeit sei es beinhart, wenn man als Mensch am Fuße der Gesellschaftspyramide stehe. Deshalb sei Arbeit zu schaffen sinnvoller, als Arbeitslosigkeit zu finanzieren, volkswirtschaftlich gesehen ebenso wie gesellschaftlich.
Fakten zu Integra
» 11,5 Millionen Euro Budget (50 % selbstfinanziert)
» 550 Teilnehmer (+ 25 %) und
90 Schlüsselkräfte
» Dienstleistungen (Auszug): Aufforstungen, Autoaufbereitung, Bauhilfsarbeiten, Bild & Rahmen, Carports, Catering, CNC-Lohnfertigung, Fahrradservice, Garten, Gebrauchtwaren, Holzprodukte, Integrationsleasing, Konfektionierung, Metall, Personalservice, Postpartner, Transporte