Internet zapft die Kaufkraft an

Neun von zehn Euro werden in Vorarlbergs Geschäften ausgegeben. Onlinehandel legt aber stark zu.
Bregenz. (VN-reh) Zwei Milliarden Euro fließen jährlich in den Vorarlberger Einzelhandel, Tendenz steigend. Denn zum einen sind die Vorarlberger standorttreu, zum anderen steigt die Kaufkraft durch das Bevölkerungswachstum. Gleichzeitig tragen klassische Touristen sowie Einkaufstouristen aus der Schweiz und Liechtenstein, die den Franken-Kurs nutzen, einen nicht geringen Teil dazu bei. Von auswärts fließen so 317 Millionen Euro in den Vorarlberger Handel. Potenzial nach oben liegt hier vor allem noch im Tourismus, der aktuell nur zehn Prozent zum Einzelhandelsumsatz beiträgt. Andere Bundesländer liegen da deutlich besser. „Hier werden die Chancen noch nicht voll ausgenutzt“, bestätigt auch Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser.
Das ist das Ergebnis der neuesten Cima-Studie zu Kaufkraft und Einzelhandelsstruktur in Vorarlberg. Dafür wurden nicht nur das Angebot und das Konsumverhalten erhoben, sondern auch rund 1300 Betriebe befragt. Für Rüdisser eine fundierte Entscheidungsgrundlage für die künftige Entwicklung des Handelsstandorts.
Die Analyse zeigt auch: Die Kaufkraftbindung der Bevölkerung ist in Vorarlberg österreichweit am höchsten, erklärt Cima-Geschäftsführer Roland Murauer. Denn von zehn Euro, die Vorarlberger Konsumenten ausgeben, werden neun Euro im heimischen Handel umgesetzt. Naturgemäß profitieren dabei die Städte mehr als die Gemeinden in den Talschaften, deren Bewohner vor allem Bekleidung, Sportartikel oder Spielwaren außerhalb ihres Wohnortes kaufen.
Hotspot Dornbirn verliert
Einkaufs-Hotspot im Land ist Dornbirn. Die Messestadt hat das größte Einzugs- und Marktgebiet aller Vorarlberger Handelsstandorte, die Tendenz ist jedoch rückläufig. Denn Dornbirn hat vor allem an Vorderlandgemeinden wie Götzis (Garnmarkt) an Kaufkraft verloren. Insgesamt – und das ist eine wesentliche Erkenntnis – konnte der Umsatz in den Vorarlberger Orts- und Stadtkernen seit 2009 aber stabil gehalten werden. Eine dramatische Verschiebung zugunsten der „grünen Wiese“ lässt sich nicht erkennen.
Bei aller Standorttreue: Die Vorarlberger kaufen auch auswärts ein. Zugenommen haben die Kaufkraftabflüsse nach Deutschland, dem einzig übrig gebliebenen Länder-Konkurrenten. Denn in die Schweiz fährt kaum mehr ein Vorarlberger um einzukaufen. Mit einer Ausnahme, wie Roland Murauer betont: Ikea St. Gallen bleibt ein beliebtes Shoppingziel. Über die Hälfte der insgesamt 202 Millionen Euro gehen allerdings in den Onlinehandel, der den Beschleunigungsgang einlegte, und damit wohl der größte Konkurrent für den heimischen Handel ist. In den letzten fünf Jahren legte das Volumen um 173 Prozent zu. Eine ernstzunehmende Herausforderung, sagt Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser. Mit einem Anteil von 5,4 Prozent an der Gesamtkaufkraft sei er aber noch überschaubar.
An Sonntagen öffnen
Dass das Internet den stationären Handel an Fläche kosten wird, ist Theresia Fröwis, Spartenobfrau des Vorarlberger Handels, überzeugt. Damit müsse man sich allerdings arrangieren. Sehr wohl könne man aber von anderen lernen. So zum Beispiel von Deutschland. „Neben günstigeren Preisen wurde dort viel unternommen, um Kaufkraft anzuzapfen.“ Verkaufsoffene Sonntage müsse man daher auch für Vorarlberg überlegen. Genauso sei der Ausbau der Angebotsstruktur in den Talschaften wichtig. Im Gegenzug hofft Fröwis, dass einstöckige Einkaufsmärkte auf der grünen Wiese bald der Vergangenheit angehören. Das sei eine Hausaufgabe für die Kommunen.
Wie die Analyse über eine geplante Messepark-Erweiterung ausfällt, lässt die Studie indes unbeantwortet. Es sei ja keine Messepark-Studie, verweist Autor Murauer. Es gebe in Vorarlberg prinzipiell Potenzial für zusätzliche Verkaufsflächen, sagt Rüdisser. In der Causa Messepark will man aber das in Auftrag gegebene Gutachten abwarten.
Kaufkraftflüsse in Vorarlberg
Kaufkraftzuflüsse nach Vorarlberg 2015 (Vergleich zu 2009)
gesamt: 317,2 Millionen Euro
» Tourismus und unregelmäßige Einkaufsfahrten: 201,7 Mill. Euro (+50,3%)
» Schweiz: 84,8 Mill. Euro (+95,8%)
» Liechtenstein: 22,7 Mill. Euro (+134%)
» Deutschland: 7,1 Mill. Euro (-41,8%)
» Tirol: 0,9 Mill. Euro
Kaufkraftabflüsse aus Vorarlberg 2015 (Vergleich zu 2009)
gesamt: 202,2 Mill. Euro
» Onlinehandel: 104,2 Mill. Euro (+172,8%)
» nach Deutschland: 50,7 Mill. Euro (+76,6%)
» Schweiz und Liechtenstein: 12 Mill. Euro (-38,5%)
» sonstige Ziele: 26,1 Mill. Euro (+169%)
» Tirol: 9,1 Mill. Euro