Die große Frage nach der sozialen Gerechtigkeit

Streit um Sozialplan für Beschäftigte der Spinnerei Feldkirch. Geld als Knackpunkt.
Feldkirch. Wenn ein Betrieb für immer schließt, ist das für niemanden leicht. Am wenigsten für die Mitarbeiter. Und so flossen gestern bei manch einem Beschäftigten der Spinnerei Feldkirch, die nach 122-jährigem Bestehen im Sommer geschlossen wird, anlässlich einer Betriebsversammlung die Tränen. Aktuell wird an einem Sozialplan für die 80 Mitarbeiter gefeilt. Vier Verhandlungsrunden gab es bereits, bislang aber ohne Ergebnis. Denn alles dreht sich dabei um die Frage, was im Fall einer Betriebsschließung sozial gerecht ist und was nicht.
Im Vorfeld waren sich Gewerkschaft und Eigentümerin F.M. Hämmerle Holding einig darüber, eine sozialverträgliche Lösung für die Beschäftigten finden zu wollen. Inhaltlich ist man auf gleicher Wellenlänge, der Knackpunkt liegt in der Höhe des Geldbetrages, der zur Verfügung stehen soll. Denn dieser beträgt laut Gewerkschaft nur rund die Hälfte ihrer Forderung.
Für Bernhard Heinzle ist der Vorschlag von F.M. Hämmerle „beschämend und unwürdig“. Man habe aufgrund des guten Gesprächsklimas und der Versprechungen im Vorfeld darauf gehofft, eine gute Lösung zu erzielen. „Wenn es ans Eingemachte geht, bleibt davon aber nichts mehr übrig“, kritisiert der Gewerkschafter gegenüber den VN. Es sei „unfassbar“, damit habe man nie gerechnet.
„Nicht im Regen stehen lassen“
Die Enttäuschung ist auch bei den Spinnerei-Mitarbeitern groß. Deshalb wurde bei der gestrigen Betriebsversammlung einstimmig eine Resolution beschlossen, die nun an die Aufsichtsräte der Holding übergeben wird und in der an das soziale Gewissen appelliert wird. „Nach unserem Wissensstand geht es der F.M. Hämmerle Holding AG wirtschaftlich sehr gut und Sie sind trotzdem nicht bereit, einen ordentlichen Sozialplan, der es würdig ist, ihn auch so zu benennen, abzuschließen. Aufgrund des Arbeitsplatzverlustes und der jetzigen wirtschaftlichen Lage haben wir Existenzängste und fordern Sie daher auf, uns nicht im Regen stehen zu lassen und Sozialplanverhandlungen mit unseren Vertretern zu führen, die zum Ziel haben, einen Abschluss zu erzielen. Mit Inhalten, die auch unsere jahrzehntelange Produktivität, unseren Einsatz und unsere Loyalität widerspiegeln“, heißt es in dem Schreiben, das den VN vorliegt. Man habe schließlich über Jahrzehnte alles für das Unternehmen gegeben.
Kein Gießkannenprinzip
Petra Kreuzer, Vorstand der F.M. Hämmerle Holding AG, weist die Kritik der Gewerkschaft entschieden zurück. Zwar liege man bei den Vorstellungen zum Sozialplan weit auseinander, das Angebot der Holding sei jedoch weit weg von jeder sozialen Härte – vielmehr das Gegenteil. 1,2 Millionen Euro zahle man insgesamt an Abfertigungen. Zudem würden keine Mitarbeiterwohnungen gekündigt, werde die Miete beibehalten. Und das zu einem Mietpreis, für den man nirgendwo in Vorarlberg eine Wohnung bekomme, sagt Kreuzer. Genauso unterstütze man zusammen mit der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer die Mitarbeiter bei der Jobsuche und zahle Zuschüsse für Kinder und Ehepaare. Gleichzeitig habe man auch die Jubiläumsgelder vorgezogen. Nur soll das Geld ihrer Ansicht nach nicht nach dem Gießkannenprinzip an alle verteilt werden, sondern nach individuellen Maßstäben. „Es gibt junge, hochqualifizierte Mitarbeiter, die sofort einen neuen Job bekommen. Und es gibt ältere, langjährige Beschäftigte mit geringerem Qualifikationsniveau, die wir unterstützen wollen, um die soziale Härte zu mindern“, erklärt Kreuzer. Das sei ein deutlich fairerer Ansatz.
Nicht fair findet die Eigentümer-Vertreterin indes, dass man ihr vorwerfe, nicht sozial zu handeln. Ein Sozialplan sei freiwillig, und letztlich müssen sich beide Seiten bewegen, ist sie überzeugt. Die Holding hätte jedenfalls ihr Angebot überarbeitet. Nun müsse man sich finden. Am Mittwoch startet die fünfte Verhandlungsrunde.