Filzpatschen für die Schweizer Eisenbahn

Beim Bau des Gotthard-Tunnel brachte das Bürser Unternehmen Getzner Werkstoffe sein Know-how mit ein.
Bludenz. (cro) „Vorarlberger Unternehmen pflegen traditionell enge Geschäftsbeziehungen mit der Schweiz und haben diese in den letzten Jahren erfolgreich ausgebaut“, erklärt Gudrun Hager, Wirtschaftsdelegierte der Wirtschaftskammer Österreich. Damit bedeutet der überdurchschnittliche Anstieg österreichischer Warenexporte in die Schweiz für das Ländle nicht nur ein Extrazuckerl, sondern wahrlich den Gipfel der Genüsse. Geknackt wurde 2015, den gesamten Außenhandel mit der Schweiz betreffend, erstmals die magische Grenze von 20 Milliarden Euro. Allein der Warenaustausch zwischen Österreich und der Schweiz erreichte im vergangenen Jahr 14,6 Milliarden Euro. Die Eidgenossen sind damit zurzeit der drittgrößte Handelspartner Österreichs.
Der bittere Nachgeschmack des Franken-Schocks zu Beginn des vergangenen Jahres bescherte den Eidgenossen einen Exportrückgang von
5,9 Prozent. Der hohe Franken-Kurs ist ein weiterer Grund, warum im Ländle-Handel die Kassen lauter klingeln als anderswo in Österreich. Mit 84,4 Millionen Euro gaben die Einkaufstouristen aus dem westlichen Nachbarland doppelt so viel aus als noch vor sechs Jahren (2009: 43,3 Mill.) Und Experten gehen nicht davon aus, dass sich der Schweizer Franken mittelfristig deutlich abschwächen wird. Die BAK Basel oder die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) rechnet mit einem Franken-Eurokurs von 1,10 bis März 2017.
Doch im Moment ist es die Eröffnung des Gotthardtunnels, die international für Furore sorgt – mit 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt. Damit die Züge ruhig mit 250 Stundenkilometer durch die Röhre donnern können, zeigt der Bürser Schwingungsschutzanbieter Getzner Werkstoffe verantwortlich. „Insgesamt werden 390.000 Einlageplatten aus höchstelastischem Polyurethan in den Schwellenschuhen die Gleise tragen“, sagt Geschäftsführer Jürgen Rainalter und vergleicht: „Man muss sich das ähnlich wie eine Art Filzpatschen vorstellen.“ Außerdem sorgen nochmals rund 30.000 Polyurethan-Sohlen auf den Betonschwellen und Matten unter dem Gleisschotter für ruhige Verhältnisse.
Dass das Oberländer Traditionsunternehmen den Zuschlag erhielt, ist auf die Materialbeständigkeit zurückzuführen. Bereits im Vorfeld der Projektplanung mussten die Werkstoffe eine hohe Dauerbelastung sowie künstliche Alterungstests bestehen. Für Getzner eigentlich keine echte Bewährungsprobe, da sich die Produkte bereits seit über 25 Jahren in festen Fahrbahnsystemen bewähren. „Etwa in der Straßenbahn in Dublin, der Metro in Moskau oder der U-Bahn in Delhi“, zählt Rainalter einige davon auf.
Schweiz wichtiger Markt
Dass Getzner Werkstoffe weltweit Markführer ist, zeigt sich auch in der Jahresbilanz 2015. Rund 78 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete das Unternehmen, was ein Wachstum von gut elf Prozent bedeutet. Die positive Jahresbilanz führt Rainalter auf die gesteigerte Nachfrage zurück. „In Brasilien und China etwa statteten unsere Fachleute unter anderem Teststrecken für Schwerlastbahntransporte mit elastischen Materialien aus, oder sie installierten in Ecuador einen Schwingungsschutz für eine Straßenbahnlinie der historischen Altstadt von Cuenca, die Teil des Unesco Weltkulturerbes ist“, freut sich der Geschäftsführer sichtlich über den Erfolg und betont im gleichen Atemzug die Wichtigkeit des Schweizer Marktes. „Die letzten Jahre haben wir bei den Eidgenossen zwischen fünf und sieben Millionen Euro Umsatz gemacht.“
Begeisterung in Bürs
Dass bei der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels 1100 Gäste sowie 300 Medienvertreter den Meilenstein bejubelten, sorgte, wenn auch im ganz kleinen Rahmen, in Bürs für Feststimmung. Für die Geschäftsführung von Getzner schwingt auch die Begeisterung mit, sich in einem attraktiven Markt mit guten Wachstumschancen positioniert zu haben. Denn die Schweizer feilen weiter an ihrer neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT), die zur Verbesserung der Transit-Nord-Süd-Achse dient. Ende 2019 soll der Ceneri-Basistunnel zwischen Bellinzona und Lugano in Betrieb genommen wird. Die Angebotsphase läuft. Getzner hat mitgeboten. Neue 15,4 Kilometer durch den Berg wären ein weiterer großer Schritt am Schweizer Markt.
Getzner Werkstoffe
» Unternehmenssitz: Bürs
» Standorte: Peking, Kunshan (CN), München, Berlin, Stuttgart (DE), Lyon (FR), Pune (IN), Amman (JO), Tokio (JP), Charlotte (US)
» Gründung: 1969 (als Tochter der Firma Getzner, Mutter & Cie)
» Mitarbeiter: 340 (davon 240 am Standort Bürs)
» Umsatz 2015: 77,9 Mio. Euro