„Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen“

Markt / 21.06.2016 • 22:25 Uhr
Trotz schwieriger Bedingungen hält Vorarlbergs Wirtschaft weiter einen stabilen Wachstumskurs.  Stiplovsek
Trotz schwieriger Bedingungen hält Vorarlbergs Wirtschaft weiter einen stabilen Wachstumskurs. Stiplovsek

Vorarlbergs Wirtschaft auf Wachstumskurs. Für heuer gute Perspektiven, aber auch Herausforderungen.

Bregenz. (VN-reh) Das Gewerbe und Handwerk im Plus, der Einzelhandel überdurchschnittlich, der Tourismus weiter auf Erfolgskurs, Österreich-Spitzenreiter bei Patentanmeldungen, mehr Menschen denn je in Beschäftigung, eine der geringsten Arbeitslosenquoten, weiterhin höchste Lehrlingsquote, überdurchschnittliche Produktionssteigerungen und Exportweltmeister: Die Kennzahlen für Vorarlberg im neuen Wirtschaftsbericht 2015/16 lesen sich außerordentlich gut. Wie gut aber ist Vorarlberg wirklich? Darüber scheiden sich spätestens seit der Präsentation der Strategie der Industriellenvereinigung, die zu Exzellenz auffordert, die Geister. Ihrer Meinung nach ist der Standort Vorarlberg im nationalen Vergleich überdurchschnittlich gut, im Benchmark mit den Topregionen Europas aber eher mittelmäßig.

Fakt ist: Vorarlbergs Wirtschaft zeigt sich auf stabilem Wachstumskurs und wuchs 2015 mit 1,6 Prozent weit über dem Österreich-Schnitt. Unter allen Bundesländern lag man damit auf Rang zwei hinter dem Burgenland. Vorarlberg ist also österreichweit im Spitzenfeld, daran gibt es nichts zu rütteln. Auch im Vergleich zu anderen Topregionen Europas könne man bei den wesentlichen Kennzahlen gut mithalten, betont Landeshauptmann Markus Wallner. In gewissen Bereichen gebe es aber durchaus Nachholbedarf. Zum Beispiel bei den Patentanmeldungen. Mit 52 Patenten pro 100.000 Einwohnern sei man zwar sehr gut, der Wert an sich aber durchaus verbesserbar. Auf die Besten zu schauen, sei also durchaus eine gute Anregung, findet Wallner.

Keine Eintagsfliege

Das Wachstum in Vorarlberg hat sich auch in das heurige Jahr hinein fortgesetzt. „Es ist also keine Eintagsfliege“, wie Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser anmerkt. Zudem zeigt es ein durchgängiges Bild quer durch alle Branchen. Gleichzeitig laufe der Export „atemberaubend gut“, so Landeshauptmann Wallner. Es sei enorm, was die Vorarlberger Betriebe im Ausland verdienen und was alles erreicht werden könne. Die Neun-Milliarden-Euro-Marke werde wohl fallen. Gleichzeitig werde man alles dafür tun, dass Vorarlberg als Produktionsstandort attraktiv bleibe. Aber dafür brauche es Investitionsanreize anstelle einer Maschinensteuer sowie ausreichend verfügbare Grundstücke.

Mittel- und langfristig hänge die Wirtschaftsentwicklung von der Fachkräftesituation ab. „Das Generalthema der nächsten Jahre“, sagt Wallner. Zudem sei es wichtig, den investitionsorientierten Kurs zu halten. In die „Quere“ könnten diesem Anliegen allerdings die steigenden Ausgaben für den Gesundheits- und Sozialbereich kommen. Ganz nach Matthäus 23.23: „Das eine tun, ohne das andere zu lassen“ sollte man schauen, dass nicht alles in Gesundheit oder Soziales fließen müsse, sondern Geld für konjunkturbelebende Bereiche wie Infrastruktur, Bildung und Forschungsprogramme übrig bleibe.

Lähmende Faktoren

Aber noch einmal zurück zu den Vergleichen: Bürokratie und die Abgaben- und Steuerlast seien wettbewerbshemmende Faktoren für den Standort, so Wirtschaftskammerdirektor Helmut Steurer, der auf das aktuelle IMD-Ranking verweist. Im Vergleich mit insgesamt 61 Ländern liege Österreich bei der Wirtschaftsgesetzgebung auf dem 30. Platz, bei der Einkommensbesteuerung sogar auf dem letzten Rang. Hier habe die öffentliche Hand durchaus noch Aufholbedarf zur Wirtschaft, was die Geschwindigkeit anlangt. Deshalb unterstütze man auch klar die Bemühungen des Landes zu Bürokratieabbau und Effizienzsteigerungen. Denn auch daran muss man sich im Vergleich mit erfolgreichen ausländischen Regionen messen.

Vorarlberg hat höhere Wachstumsraten als andere.

Markus Wallner
LH Markus Wallner, Statthalter Karlheinz Rüdisser und WKV-Direktor Helmut Steurer präsentieren den Wirtschaftsbericht 2015/16. Foto: VLK
LH Markus Wallner, Statthalter Karlheinz Rüdisser und WKV-Direktor Helmut Steurer präsentieren den Wirtschaftsbericht 2015/16. Foto: VLK