„Istanbul ist einfach eine quirlige Stadt “

Die Österreicher gelten in der Türkei als freundlich und umgänglich, sagt Georg Karabaczek.
ISTANBUL. Dank einer jungen, wachsenden Bevölkerung gilt die Türkei als Zukunftsmarkt im EU-Raum. Auch österreichische Firmen können davon profitieren.
Die Türkei steckt nach mehreren Anschlägen, einem enormen Flüchtlingszustrom sowie politischen Turbulenzen in der Krise. Was bedeutet das für die österreichische Wirtschaft?
Karabaczek: Die Türkei macht im Augenblick einiges durch, das stimmt. Vor allem die Anschläge verunsichern Touristen und Geschäftsleute, und Unsicherheit ist natürlich der Wirtschaftsentwicklung nicht förderlich. Die türkischen Unternehmer sind es allerdings gewohnt, mit solchen Situationen umzugehen, und das Wirtschaftswachstum erreichte im ersten Quartal dieses Jahres erfreuliche 4,8 Prozent, für das Gesamtjahr werden auch knapp vier Prozent erwartet. Die Verstimmung zwischen der Türkei und Russland wurde vor ein paar Tagen wieder beigelegt, die Beziehungen zu anderen Ländern in der Region, wie z. B. Israel, normalisieren sich gerade. Den syrischen Flüchtlingen wurden Arbeitserlaubnisse erteilt und sogar die türkische Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt. Es gibt also auch positive Entwicklungen, die wieder Optimismus aufkommen lassen.
Wie beurteilen Sie einen Beitritt der Türkei zur EU? Was sind die Pros und Contras? Wie sehen Sie die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei?
Karabaczek: Im Rahmen des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei wurde vereinbart, dass weitere Kapitel in den Beitrittsverhandlungen geöffnet werden. Das ist ein wichtiger Schritt, um die Gespräche wieder in Gang zu bringen. Die türkische Regierung hält an der EU-Perspektive fest und hat sich zum Ziel gesetzt, alle Voraussetzungen hierfür zu erfüllen. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist aber auch der Weg, der weitere Reformen und Anpassungen an EU-Regelungen bedeutet. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass auch eine Anpassung und Ausdehnung der Zollunion zwischen der EU und der Türkei in Angriff genommen wurde. Ob bzw. wann am Ende des Prozesses ein EU-Beitritt steht, ist im Augenblick noch offen.
Welches ungenutzte Potenzial gibt es in der Türkei?
Karabaczek: Ein großes. Die Türkei hat eine wachsende, junge Bevölkerung, die unternehmerisch denkt und durchaus auch über steigende Kaufkraft verfügt. Die Realwirtschaft in der Türkei ist wesentlich stärker, als sie bisweilen dargestellt wird. Die Österreicher werden generell als freundlich und umgänglich empfunden. Ein Imageproblem sehe ich eher in die Gegenrichtung, und dagegen kämpfen wir immer wieder an. Fast alle, die zum ersten Mal Istanbul besuchen und diese unglaublich moderne, quirlige, aktive und spannende Stadt erleben, denken danach ganz anders über die Türkei. Ein Vorteil ist, dass viele deutschsprechende Menschen in der Türkei leben. Erstaunlich viele Jugendliche besuchen deutschsprachige Schulen. In diesem Zusammenhang sei besonders das österreichische St. Georg Kolleg in Istanbul erwähnt, das seit 1882 deutschsprachige Absolventen hervorbringt, die auch sehr zahlreich für österreichische Unternehmen tätig sind. Unsere Unternehmen finden hier also nicht nur gut ausgebildete Mitarbeiter vor, sondern auch gut Deutsch sprechende.