Digitaler Wandel
Eine zeitgemäße Bildungsreform ist längst überfällig! Viele Mütter sind erwerbstätig. Die Neurowissenschaften erbrachten neue pädagogische Erkenntnisse. Überall in der entwickelten Welt gibt es ganztägige elementarpädagogische Betreuung, besuchen die Jugendlichen verschränkte Ganztagsschulen, die mit großer Autonomie und entsprechender Infrastruktur samt genügend Lehr- und Unterstützungspersonal ausgestattet sind.
Zudem erfordert der digitale Wandel erhöhte Qualifikationen. Nur mit diesen werden wir die Entwicklung des Internets, von Big Data zu Algorithmen, Vernetzungen oder Roboterisierung, erfolgreich gestalten und nutzen können. Diese neue industrielle Welle wird alle Lebensbereiche erfassen: Haushalte, Medizin und Alterspflege ebenso wie die Landwirtschaft, Produktion und Dienstleistungen. Trotzdem wird uns die Arbeit nicht ausgehen. Vielmehr werden gefährliche, schwere und monotone Tätigkeiten immer mehr von Maschinen ausgeführt und durch hochwertigere ersetzt werden. Niemand weint der Schufterei mit Krampen und Schaufel nach, lassen sich diese Arbeiten doch wesentlich leichter und produktiver mit Baggern erledigen. Ebenso wissen wir den Komfort von fließendem Wasser, WC, elektrischen Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen oder Geschirrspülmaschinen zu schätzen.
Wie schon früher auch wird sich die Welt der Arbeit erneut stark verändern. Mägde und Knechte in der Landwirtschaft, Wäschermädl und Stubenmädchen in gehobenen Haushalten, Wasserausträger oder Tramwayschienenritzenkratzer gibt es schon lange nicht mehr, das Auto hat den Kutscher überflüssig gemacht. Trotzdem hat die Zahl der Beschäftigten zugenommen. Bei der digitalen Revolution wird dies nicht anders sein. Auch Roboter müssen von Menschen entwickelt, hergestellt und programmiert werden. Überdies wird die Ausbildung mehr Zeit erfordern und ebenso wie in den Bereichen Gesundheit und Alterspflege mehr Personal benötigen.
Die Möglichkeiten des digitalen Wandels brauchen wir aber auch, um die Produktivität zu erhöhen und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Dies umso mehr, als die Babyboomer-Jahrgänge in Pension gehen und zugleich länger leben werden. Die nachkommende Erwerbsgeneration wird wegen des Geburtenrückgangs aber nur halb so groß sein. Sie wird daher eine höhere Wirtschaftsleistung erbringen müssen. Ohne die effiziente Nutzung des digitalen Wandels und ohne höhere Qualifikationen wird dies nicht möglich sein. Umso mehr müssen wir daher die damit verbundenen Chancen frühzeitig nutzen, dürfen nicht zu Nachzüglern werden. Daher gilt es, den digitalen Wandel nicht durch regulative oder steuerliche Maschinenstürmerei zu be- oder gar zu verhindern, sondern bestmöglich voranzutreiben. Dabei muss die Bildungsreform an vorderster Stelle stehen, bedarf es der Fokussierung auf zeitgemäße Berufsausbildung, ist den Universitäten, der Wissenschaft, Forschung und den Innovationen höhere Priorität zu geben.
Wie schon früher auch wird sich die Welt der Arbeit erneut stark verändern.
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Dr. Hannes Androsch ist Finanzminister i. R. und Unternehmer.
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