Mit der Portion Leidenschaft

Markt / 29.08.2016 • 22:19 Uhr
Marie-Helene Ametsreiter im VN-Gespräch bei ihrem Besuch im Dornbirner Speedstart-Studio. Foto: VN/Steurer
Marie-Helene Ametsreiter im VN-Gespräch bei ihrem Besuch im Dornbirner Speedstart-Studio. Foto: VN/Steurer

Marie-Helene Ametsreiter investiert für Speedinvest in digitale Start-ups.

Dornbirn. Wie wiegt man am besten ein Schwein? Eine Frage, die sich wahrscheinlich nur Landwirte stellen. Denn für diese kann sich das Prozedere mit einer herkömmlichen Waage äußerst schwierig gestalten. Abhilfe schafft nun ein steirisches Start-up-Unternehmen. Wuggl hat ein Messgerät entwickelt, das optisch wiegt – ohne Waage. Man macht ein Foto vom Körper des Schweines, und das Gerät zeigt das Gewicht am Display an. Die Gründer versprechen eine Messgenauigkeit von 98,5 Prozent. „Die Idee ist genial“, sagt Marie-Helene Ametsreiter, Partnerin beim Risikokapitalgeber Speedinvest, im VN-Gespräch. Genauso begeistert haben sie auch die Gründer. Obwohl beide keine klassischen digitalen Freaks sind, sondern ein Tierarzt und ein Techniker im Alter von 39 und 48 Jahren. Nach einem längeren Prozess hat Speedinvest nun bei Wuggl investiert.

Ametsreiter ist, nach Stationen bei Telekom Austria und OMV, seit 2014 Partnerin beim Start-up-Finanzierer mit Büros in Wien, München und Silicon Valley, der vor allem in Digital-Unternehmen in Zentral- und Osteuropa investiert. Entscheidend dafür, ob Geld fließt oder nicht, sei aber nicht die Idee allein, sagt sie. Das Nummer-eins-Kriterium sei das Team. Also wie sich die Menschen, die dahinterstehen, ergänzen und miteinander umgehen. „Ich muss das Gefühl haben, dass sie Durchhaltevermögen haben, dass sie an die Sache glauben und nicht nur das schnelle Geld wittern. Kurzum: Man muss in sein Produkt verliebt sein und echte Leidenschaft spüren“, bringt es die Investorin auf den Punkt. Bei Einzelgründern ist sie indes eher skeptisch. Es sei ein gutes Korrektiv, wenn man im Team agiere.

Trend bei Versicherungen

Genau analysiert wird bei Speedinvest, wie viel Potenzial ein Produkt bietet, wie die Konkurrenzsituation am Markt ist und wie innovativ die Technologie ist, die dahintersteckt. Besonders interessant ist dabei neben Big Data und dem Analyse-Bereich zurzeit die InsurTech-Szene. Also Technologien rund um die Versicherungsbranche. Die Frage ist dabei immer, wann eine Technologie den Punkt der Monetarisierung schafft. Ist man zu früh an einem Thema dran, könne das schiefgehen, ist für Ametsreiter auch der richtige Zeitpunkt entscheidend.

Gefunden werden diese innovativen Digital-Unternehmen aber nicht unbedingt nur in Österreich. Wobei es viele deutsche Start-ups gebe, bei denen ein Team von Österreichern dahinterstehe. Der Hauptkritikpunkt hierzulande ist immer wieder das Problem der Anschlussfinanzierung. Wobei das kein österreichisches Phänomen sei, erklärt Ametsreiter. Dennoch brauche es steuerliche Anreize. Das Vermögen sei schließlich vorhanden, die Frage sei, wie man das besser für junge, neue Unternehmen nutzbar mache. Aktuell könne man dem Stiftungsvorstand nicht vorwerfen, dass er das Geld nicht in Start-ups investiere. Denn das dürfe er schlichtweg nicht.

Impulse von Regierung

Vom kürzlich präsentierten Start-up-Paket der Regierung erwartet sie sich nun Impulse für die Gründerszene in Österreich. Von Kanzler Christian Kern hoffe sie, dass er die Welt der Start-ups verstehe, sich dieses Wirtschaftsfaktors bewusst sei und daher die notwendige Unterstützung kommen wird. Geholfen hätten der Start-up-Szene jedenfalls auch verschiedene TV-Formate.

Jungen Mut machen

Ametsreiter selbst sitzt in der Jury bei „2 Minuten – 2 Millionen“. Es gebe im Land einen Hype, aber im Gegensatz zu den USA sei er noch nicht überhitzt und trage deshalb noch viel Potenzial in sich. „Das Fernsehen hilft sicher dabei, jungen Gründern Mut zu machen“, ist sie überzeugt. Gleichzeitig sei es für Speedinvest ein guter Kanal, um Start-ups zu sichten. Wobei der Kampf um die besten Köpfe längst entbrannt sei. „Es gibt einen massiven Wettbewerb mit anderen Finanzierern um die besten Firmen. „Es gibt zwar immer mehr Start-ups, aber jeder möchte die besten“, so Ametsreiter.

Deshalb versuche man sich bei Speedinvest zu differenzieren. So wird nicht nur Kapital in die Firma investiert, sondern auch Arbeitsleistung. Alle Partner waren früher Entrepreneurs und unterstützen die Unternehmen in Dingen wie Verkauf oder Internationalisierung. Der Einsatz als Know-how-Geber ist dabei sehr zeitintensiv. „Wir sind tief operativ drin. Das geht bis zum Interims-Management. Das Mindeste ist jedenfalls ein wöchentlicher Austausch“, berichtet die Investorin. Aus rein finanziellen Gründen sollte man aber nicht in ein Unternehmen investieren, ist sie überzeugt. „Man braucht dazu auch eine strategische Brille.“

Marie-Helene Ametsreiter referiert am 10. November 2016 beim
33. Vorarlberger Wirtschaftforum.