Der Blick durch verschiedene Brillen

Markt / 14.10.2016 • 18:10 Uhr
Marie-Hélène Ametsreiter gilt als eine der bestvernetzten Investoren im Startup-Bereich und spricht beim diesjährigen Wirtschaftsforum. Foto: VN/Steurer
Marie-Hélène Ametsreiter gilt als eine der bestvernetzten Investoren im Startup-Bereich und spricht beim diesjährigen Wirtschaftsforum. Foto: VN/Steurer

Marie-Hélène Ametsreiter investiert erfolgreich in Start­up-Firmen. Nummer-1-Kriterium: das Team.

Schwarzach. (VN-reh) Wie überzeugt man als Startup-Unternehmen, das Kapital braucht, eine Investorin wie Marie-Hélène Ametsreiter? Zunächst sollte die Geschäfts­idee einen digitalen Charakter haben. Und dann ist das Team, das dahinter steht, ganz entscheidend.

Für Ametsreiter, die als eine der bestvernetzten Investoren im Startup-Bereich gilt, ist das das Nummer-1-Kriterium. „Entscheidend dafür, ob Geld fließt oder nicht, ist nicht die Idee allein, sondern das Team. Also wie sich die Menschen, die dahinterstehen, ergänzen und miteinander umgehen. Ich muss das Gefühl haben, dass sie Durchhaltevermögen haben, dass sie an die Sache glauben und nicht nur das schnelle Geld wittern“, sagt die Investorin im VN-Gespräch, die nach Stationen bei Telekom Austria und OMV seit 2014 Partnerin beim Risikokapitalgeber Speedinvest mit Büros in Wien, München
und Silicon Valley ist. Einer breiten Öffentlichkeit wurde sie vor allem durch ihre Fernsehauftritte in der Startup-Sendung „2 Minuten – 2 Millionen“ bekannt. „Man muss in sein Produkt verliebt sein und echte Leidenschaft spüren“, sagt sie und ist daher auch skeptisch bei Einzelgründern. Hier fehle das Korrektiv der Gruppe.

Arbeitsleistung einbringen

Neben dieser intuitiven Brille braucht es aber genauso eine strategische. So wird analysiert, wie viel Potenzial ein Produkt bietet, wie sich die Konkurrenzsituation am Markt darstellt und wie innovativ die Technologie ist, die dahintersteckt. Nur aus rein finanziellen Motiven in ein Unternehmen zu investieren, sei indes nicht zielführend, ist sie überzeugt. Das müsse man sich erstens leisten können und zweitens stecke hinter jedem Investment eine große Portion Arbeit. Zumindest wenn man Finanzierung so versteht wie man es bei Speedinvest tut. Dort setzt man nämlich auf die Differenzierung, dass man sich auch einbringt. Das heißt, neben dem Kapital fließt Arbeitsleistung. Denn oft haben Startups zwar geniale Ideen, aber dafür hapert es an betriebswirtschaftlichem Know-how. Da hilft es, dass alle Partner bei Speedinvest einen wirtschaftlichen Background haben. Und so unterstützt die Investorin dann bei Agenden wie Verkauf oder Internationalisierung. Das umfasst weitaus mehr als ein paar höfliche Besuche. „Wir sind tief operativ drin. Das geht bis zum Interims-Management. Das Mindeste ist jedenfalls ein wöchentlicher Austausch“, berichtet Ametsreiter. Denn gerade in der Anfangsphase eines Unternehmens brauche man entsprechendes Know-how. Nicht umsonst heißt es bei Speedinvest: „Bei uns erhält Risikokapital ein menschliches Gesicht.“ Und zudem sei es ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Finanzierern.

Große Konkurrenz

Die Konkurrenz durch Investoren ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Ein Kampf um die besten Köpfe ist entbrannt. „Jeder möchte die Besten“, sagt Ametsreiter, für die derzeit vor allem die Bereiche Big Data, Analyse und InsurTech hochinteressant sind. Bei Letzterem geht es um alle Technologien rund um die Versicherungsbranche. Innovation ist im Digitalbereich Trumpf. Wobei die Trends im Quartalszyklus wechseln. Aber es gibt sie immer noch, diese Ideen, die noch keiner davor hatte. Wobei bei jedem Investment immer auch der Zeitpunkt entscheidend ist. Oft ist man auch einfach zu früh dran. So geht es immer darum, wann eine Technologie den Punkt der Monetarisierung schafft. „Die Virtual-Reality-Technologie kam zum Beispiel erst ziemlich verzögert. Zumindest in der Form, dass es kommerzielle Produkte gab“, betont die Investorin. Ein Risiko bleibt also immer bestehen.

Ob das von der Bundesregierung verabschiedete Startup-Paket, das 185 Millionen Euro an frischem Geld und zusätzlich 100 Millionen Euro an Garantien für die Startphase von innovativen neuen Unternehmen vorsieht, einen Schub bringen wird? Ja, sagt Ametsreiter. Man habe viel gute Vorarbeit geleistet. Sie hoffe einfach, dass Bundeskanzler Christian Kern die Welt der Start­ups verstehe und ihm deren Wirtschaftsfaktor bewusst sei. Dass es im Land weiter an der Anschlussfinanzierung für neue Unternehmen hapert, sei jedoch kein rein österreichisches Phänomen. Hier brauche es dringend Steuererleichterungen. Denn Vermögen sei in Österreich durchaus vorhanden, die Frage sei nun, wie man beispielsweise Geld aus Stiftungen oder Pensionsfonds besser für junge, neue Unternehmen nutzbar mache.

Win-win-Situation

Beim Wirtschaftsforum im Bregenzer Festspielhaus spricht Marie-Hélène Ametsreiter darüber, wie die Geschäftswelt von Startup-Unternehmen profitieren kann und umgekehrt. Bewusstsein schaffen, so ihr Credo. Darum ist sie auch im Fernsehen zugegen. Zum einen gebe es für Startups viel Potenzial, weil der Markt noch nicht überhitzt sei. Zum anderen helfen die TV-Formate, jungen Gründern Mut zu geben. Und am Ende profitiert auch Speed­invest, weil es eine gute Möglichkeit ist, kreative Köpfe zu sichten. So was nennt man dann win-win-Situation.

Ich muss das Gefühl haben, dass jemand an die Sache glaubt und nicht das schnelle Geld wittert.

Marie-Hélène Ametsreiter