“In Österreich verkaufen wir uns noch unter Wert”

Markt / 14.10.2016 • 19:03 Uhr
Huber blickt auf eine über 100-jährige Firmengeschichte zurück. Aus einem kleinen Betrieb wurde ein multinationaler Wäschekonzern.
Huber blickt auf eine über 100-jährige Firmengeschichte zurück. Aus einem kleinen Betrieb wurde ein multinationaler Wäschekonzern.

Götzis. Martin Zieger kennt die Textilbranche in- und auswendig, waren doch Palmers, Hunkemöller und Charles Vögele nur drei seiner beruflichen Stationen. Vor eineinhalb Jahren hat er bei der Huber Holding das Ruder übernommen.

In der Vergangenheit gab es in der Chefetage der Huber Holding ein Kommen und Gehen. Sie sind nun seit eineinhalb Jahren CEO. Welche Maßnahmen haben Sie zuerst gesetzt?

Zieger: Ich bin fast ein Veteran. Als Erstes wollte ich die Firma verstehen. Das Schwierigste war, mir in der extrem komplexen Struktur ein Bild zu machen. Ich habe mir alles angeschaut, vom Zentrallager bis zur Produktion, habe die Märkte und Filialen besucht. Wir haben nun alles vertikal ausgerichtet. Das heißt, jede Firma trägt jetzt die Verantwortung für die eigenen Shops. Und wir sind dabei, ein ERP-System einzuführen, bei dem vom Einkauf des Garns bis hin zum Kassenbon alles komplett integriert ist. Eine Herausforderung war auch die Integration von HOM, weil die Marke komplett in Triumph eingegliedert war.

Welche Pläne verfolgen Sie als Retail-Spezialist für die Shops?

Zieger: Wir testen gerade zwei neue Konzepte für die Huber-Shops mit komplett neuem Ladensystem. Ende des Jahres wird sich entscheiden, welches Konzept wir für alle Filialen umsetzen. Sie werden auf jeden Fall moderner und sollen zudem die Botschaft vermitteln, dass in den Geschäften alle Marken verkauft werden, nicht nur Huber.

Ihre Vorgänger konnten sich mit dem Besitzer nicht auf eine Strategie einigen. Haben Sie nun Antworten gefunden?

Zieger: Ich war mit 30 Jahren das erste Mal Vorstand bei Palmers. Ich bin also mit Marken und dem Einzelhandel verbunden. Die Schwierigkeit bei den Vorgängern war, dass sie zwar in ihren Berufen toll waren, aber kein Bekleidungs- oder Wäscheprofi dabei war. Hier bei Huber ist das so komplex, da braucht man Erfahrung und eine dicke Haut. Wir haben nun mit Ernst & Young eine Fünfjahresstrategie ausgearbeitet und haben viele Projekte am Laufen. Insgesamt wird alles schlanker und klarer. Ich will nicht mehr, dass wir innerhalb der Firma Gewinne machen. Wieso soll eine Marke an die Shop-Gesellschaft verkaufen? Innerhalb der Gruppe gehört uns die Ware immer noch.

Huber hat im Portfolio so bekannte Marken wie Skiny, Hanro, HOM und Huber. Inwieweit glänzen diese noch am Markt?

Zieger: Die Firma ist schon ein Champion, aber bisher eher versteckt worden. Man wollte vermutlich in schwierigen Zeiten nicht zu sehr nach außen gehen. Wir erwirtschaften heute zwei Drittel unseres Umsatzes im Ausland, sind in 68 Ländern aktiv. Hanro ist heuer „Designer of the Year“ geworden, das ist quasi der Oscar der Branche. Skiny bringt eine neue Sportkollektion und startet in den USA, ebenso HOM. Huber hat in den letzten Jahren ein Schattendasein geführt. Die Marke holen wir nächstes Jahr vor den Vorhang. Generell verkaufen wir uns in Österreich aber immer noch unter Wert, obwohl wir heuer 140 Millionen Euro Umsatz machen.

Gibt es Bestrebungen, weitere Marken zu übernehmen?

Zieger: Wir müssen zuerst schauen, dass in den neuen Strukturen alles so läuft, dass wir nach vorne blicken können. Wenn das gelingt, werde ich frühestens im nächsten Jahr schauen, ob es eine Marke gibt, die zu uns passt. Wir haben mehrere Lücken entdeckt. Es fehlt der Bereich sexy Verführungswäsche. Das verkauft sich immer am besten, weil man es am besten bewerben kann. Und es fehlt der Massenmarkt. Wir wollen den Einstiegsbereich wie Supermärkte nicht ganz weglassen. In Frankreich machen wir das schon mit HOM, wo wir in über 400 großen Supermärkten eine Zweitlinie verkaufen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Textilproduktion? Ist der Standort konkurrenzfähig?

Zieger: Es gäbe für uns einen einfacheren, sorgenfreieren Weg, aber wir schätzen es, dass wir mit Arula die Stoffproduktion im Land haben. Das verschafft uns einen Wettbewerbsvorteil, denn wir müssen dadurch Stoffe nicht als gegeben sehen. Arula kann diese selbst entwickeln, und den Stoff haben dann nur wir. Durch den Trend zu intelligenten Textilien kann Arula zudem neue Kunden finden.

Und wie langfristig sehen Sie Ihr Engagement bei Huber?

Zieger: Ich bin nie unter vier, fünf Jahren von einer Firma weggegangen. Das braucht auch das Unternehmen, um dort zu sein, wo ich es mir vorstelle. Ich bin so viel unterwegs wie schon lange nicht mehr. Das ist notwendig, denn die Schlacht wird draußen gewonnen, nicht am Schreibtisch. Ein Tag in den Filialen ist hilfreicher als eine Woche im Büro. Huber ist mit Sicherheit das komplexeste Unternehmen, in dem ich je gearbeitet habe, aber zugleich hat es ein riesiges Potenzial und die Chancen sind groß. Auch das Team ist toll. Die Firma und die Mitarbeiter haben in den letzten Jahren eine enorme Standfestigkeit bewiesen.

Das Ziel ist es, unseren Umsatz in fünf Jahren um 50 Prozent zu steigern, und das ohne Zukäufe.

Martin Zieger ist seit eineinhalb Jahren Vorstandsvorsitzender der Huber Holding. Der Textilexperte mit internationaler Erfahrung sieht im Unternehmen ein riesengroßes Potenzial.  Fotos: VN/Steurer
Martin Zieger ist seit eineinhalb Jahren Vorstandsvorsitzender der Huber Holding. Der Textilexperte mit internationaler Erfahrung sieht im Unternehmen ein riesengroßes Potenzial. Fotos: VN/Steurer

Kennzahlen

» Firmengründung: 1908

» Geschäftsführung (CEO):
Martin Zieger

» Eigentümer: Benger Brands Ltd., Hongkong (Robert Ng)

» Mitarbeiter: 1300, davon 400 in Vorarlberg

» Umsatz 2015: 130 Millionen Euro (+19 Prozent)

» Produktionsstandorte: Österreich, Portugal, Bulgarien

» Shops: 74, Vertriebsniederlassungen in allen wichtigen Märkten

» Marken: Huber Bodywear, Skiny, Hanro of Switzerland, HOM

Zur Person

Dr. Martin Zieger

Vorstandsvorsitzender Huber Holding AG, Götzis

Geboren: 15.1.1965

Ausbildung: Studium der Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien; Doktorat an der Karl-Franzens-Universität Graz

Laufbahn: Vorstand der Palmers AG; Geschäftsführer von Hunkemöller (NL); Österreich-Chef von Charles Vögele; Unternehmensberater und Verwaltungsrat für die Schweizerische Gaydoul Group (Fogal, Jetset, Navyboot); ICU Unternehmensberatung (dayli); seit Mai 2015 Vorstandsvorsitzender der Huber Holding

Familie: verheiratet, drei Kinder