Und jetzt ?
Das Unerwartete wurde Realität. Donald Trump wird nächster Präsident der USA. Ein Sieg des „Trumpismus“. Erfunden hat er diesen aber nicht. Vielmehr hat er sich einen gesellschaftspolitischen Virus zunutze gemacht, der epidemisch ebenfalls in Europa – siehe Brexit – und zunehmend auch bei uns grassiert.
Der mit Diffamierungen und Unwahrheiten gespickte Wahlkampf von Trump war demagogisch, nationalistisch und protektionistisch. Menschenrechte und Menschenwürde spielten dabei ebenso wenig eine Rolle wie wirtschaftliche Einsichten oder sicherheits- und weltpolitische Zusammenhänge. Dennoch wurde der allgemeine Stimmungsnerv getroffen. Die dahinter liegenden realen Gründe haben das gesellschaftliche Immunsystem geschwächt. Daher konnten mit dem populistischen Slogan „Make America Great Again“ auch nationale Sehnsüchte erfolgreich mobilisiert werden.
Die Folgen der so geweckten Hoffnungen stehen auf einem anderen Blatt. Die Aufkündigung des Klimaschutzabkommens wäre für das Weltklima katastrophal, die Wiedereinführung von Handelsbeschränkungen würde Europas Exportwirtschaft hart treffen, aber auch höhere Preise für US-Konsumenten bedeuten. Die liberale Weltordnung und das freie internationale Handelssystem, das die Siegermacht USA nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen hat, ständen auf dem Spiel. Mit der Infragestellung der Nato auch die gesamte Sicherheitsarchitektur in Europa. Solches gilt auch für Ostasien.
Mit nationalstaatlicher Souveränitätsillusion und abgeschotteter Eigenbrötlerei wird Europa die nunmehrigen Herausforderungen nicht bewältigen können. Nur gemeinsam ist Europa stark. Sonst drohen Verlust an Wohlstand und Sicherheit. Leider verzettelt sich die Politik in Nebenthemen wie z. B. Binnen-I oder Bundeshymne und erfüllt vorwiegend Partikularinteressen. Die tatsächlichen oder auch nur gefühlten Ängste in großen Teilen der Bevölkerung vor Abstieg, Überfremdung oder Verdrängung, Verlust der Arbeit oder der Altersversorgung werden hingegen vernachlässigt, die zunehmende Ungleichheit im Sozialsystem ignoriert. Die Probleme werden auf Globalisierung, auf Brüssel, auf die Flüchtlinge und den Islam projiziert. Die Folgen sind tiefe Unsicherheit und große Verdrossenheit. Es kommt zu Zornes-Protesten, weil es an Halt, Geborgenheit und Orientierung, an Solidarität und ausgleichender Balance fehlt. Schönreden ist da keine Lösung.
Gerade in Zeiten rasanter Entwicklungen und tiefgreifender Veränderungen bedarf es Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit, Erklärungen und neuer Perspektiven, wobei niemand zurückgelassen werden darf. Es braucht mutige Reformen. Dafür müssen wir die Segel für einen erfolgversprechenden Zukunftskurs unseres Landes und eines gemeinsamen starken Europas ausrichten.
Schönreden ist da keine Lösung, es braucht mutige Reformen.
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Dr. Hannes Androsch ist Finanzminister i. R. und Unternehmer.
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