“Sehr wenige Kunden sind gegangen”

Bregenz. Michel Haller ist seit 1. Jänner 2017 Vorstandsvorsitzender der Hypo Vorarlberg. Im Interview spricht er über stürmische Panama-Zeiten und den Weg, den er mit der Bank künftig gehen will.
Sie haben sich inmitten eines wahren Kreuzfeuers im Zuge der Panama-Papers für den Posten des Vorstandsvorsitzenden beworben. Kann man sagen, Sie lieben Herausforderungen?
HAller: Auch, ja. Ich bin ein überzeugter Regionalbanker, der zutiefst davon überzeugt ist, dass die Wirtschaft in Österreich regionale Banken braucht. Diese werden aber von der Aufsicht und der Politik nicht gut behandelt. Ich möchte dafür kämpfen, dass Regionalbanken als das Rückgrat der Wirtschaft gesehen werden. Mein Ziel ist es, die Hypo durch die schwierige Zeit und in ein ruhiges Fahrwasser zu führen.
Wie stehen Sie politischen Zurufen von außen gegenüber? Es gibt ja unterschiedliche Forderungen der Parteien nach einer Neuausrichtung der Bank.
HAller: Die Hypo gehört zwar mehrheitlich dem Land Vorarlberg, wir haben aber auch andere Partner, etwa die deutschen Eigentümer. Als Vorstand führt man die Bank. Zudem hat der Aufsichtsrat seine Rechte. Aber wir können nicht auf jeden politischen Zuruf von außen reagieren. Allein dadurch, dass ja nicht jede Partei dasselbe will, würde uns das letztlich zerreißen. Zudem müssen wir die Bank ökonomisch erfolgreich führen. Dazu müssen wir in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat die Entscheidungen treffen, in welche Richtung wir gehen. Natürlich hat ein Eigentümer seine Zielbilder, aber es geht nicht, dass jeder Landtagsabgeordnete seine Privatmeinung äußert.
Eine Forderung ist der komplette Rückzug aus allen Offshore-Geschäften. Ist es schwierig zu erklären, wieso Offshore nicht per se böse ist?
HAller: Es ist sehr schwierig zu erklären, auch weil es keine standardisierte Definition gibt. Je nachdem, was ich als offshore definiere, ist auch Liechtenstein offshore, und dennoch ist nicht jeder böse, der dort ein Konto hat. Wenn man als Kriterium jene Länder hernimmt, die nicht am automatischen Informationsaustausch teilnehmen, könnten wir beispielsweise keinen unserer Kunden, der exportiert, in die USA, die Türkei, Bolivien oder Taiwan im Bereich Haftungen und Akkreditive begleiten.
Die Kunden haben trotz der vielen Schlagzeilen der Bank ja die Treue gehalten. Eine große Kündigungswelle blieb aus.
HAller: Es gab Verunsicherung, aber es hat sehr, sehr wenige Kunden gegeben, die gegangen sind. Die meisten sehen die Hypo als solide Regionalbank, die sehr gut aufgestellt ist und eine gute Bonität hat. Die Kunden haben das als politisches Thema eingeordnet und nicht als Problem der Bank.
Sie arbeiten gerade an der „Filiale der Zukunft“. Wie kann man sich diese vorstellen?
HAller: Wir haben die letzten Jahre einige Kleinfilialen geschlossen, aber wir haben das klare Bild, dass wir eine Filialbank bleiben. Das Bild einer Filiale wird sich allerdings ändern, denn es kommen immer weniger Kunden in die Filiale und immer mehr wird online gemacht. Unser Ziel ist es, dem Kunden sowohl in der Filiale als auch online alle Produkte anzubieten, die er braucht. Wir starten heuer Onlineprodukteröffnungsprozesse und wollen die digitale Welt mit der Filialwelt verknüpfen. Dadurch kann man auch als Filialbank sehr erfolgreich sein. Es gibt immer Themen, bei denen man die Filiale gerne in Anspruch nimmt.
Wie gehen Sie damit um, dass in den vergangenen Jahren das Image der Branche stark gelitten hat? Wie kann man das Vertrauen wieder stärken?
HAller: Bei uns als Hypo ist das Vertrauen der Kunden immer noch extrem hoch. Aber insgesamt hat das Vertrauen in die Branche gelitten. Auch weil manche Bank Dinge gemacht hat, die man nicht machen sollte. Vieles am schlechten Image wird aber auch von außen hereingetragen und geschürt. Banken eignen sich sehr gut als Prügelknabe. Es ist einfach zu sagen, wir zahlen ja keine Zinsen am Sparbuch, wollen Zinsen für Kredite sowie Gebühren. Dabei wird oft vergessen, dass vieles mit der EZB-Politik zur Stützung maroder Staaten zusammenhängt. Man muss mit Sicherheit das Bewusstsein dafür stärken, dass Banken eine wichtige Funktion erfüllen. Nämlich die Vermittlung zwischen kleinen Kurzfristsparern und langfristigen großen Finanzierungen.
Wo sehen Sie sonst noch Missverständnisse?
HAller: Wir sind eine Regionalbank, die national und international unterwegs ist. Das ist vielen nicht bewusst. Denn wir werden von vielen als Vorarlberger Bank gesehen. Dabei sind wir genauso in Süddeutschland, St. Gallen oder Wien vertreten und machen 60 Prozent unseres Kreditgeschäfts außerhalb von Vorarlberg. Das ist unsere Stärke, sonst würden wir zu wenig verdienen, um die Vorarlberger Wirtschaft zu unterstützen. Viele meinen auch, wenn man Wohnbauförderung bekommt, ist man Kunde der Hypo. Ist man aber nicht.
Was hat Sie persönlich an einer Karriere in der Finanzwirtschaft gereizt?
HAller: Mich hat das Finanzwesen immer schon fasziniert, also Fragen wie „Wie schafft man es als Aktiengesellschaft, Aktien zu platzieren?“ oder „Wie bekommt man ein Gleichgewicht zwischen Sparern und Kreditnehmern?“. Für mich ist Geld kein Selbstzweck, sondern der Tropfen Öl, den es braucht, damit die Maschine läuft.
Sie waren zuvor Vorstand bei der Sparkasse. Was sind die Unterschiede zur Hypo?
HAller: Die Sparkassen sind in einem Verbund, haben ein Spitzeninstitut und machen viele Sachen gemeinsam. Sie müssen sich daher um einige regulatorische Dinge weniger kümmern. Bei der Hypo müssen wir die Regulatorien selbst umsetzen, was ein großer Aufwand ist. Dafür haben wir mehr Freiheiten und Möglichkeiten, uns strategisch zu positionieren.
Es gibt immer Themen, bei denen die Kunden die Bankfilialen gerne in Anspruch nehmen.

Kennzahlen
Gesellschafter: Vorarlberger Landesbank-Holding (Land Vorarlberg) 76,03 %, Austria Beteiligungsgesellschaft mbH, Deutschland (23,97 %)
1. Halbjahr 2016
» Ergebnis vor Steuern:
28,9 Mill. Euro (-72 %)
» Operatives Ergebnis:
49 Mill. Euro (-10,0 %)
» Eigenmittel:
1,2 Mrd. Euro
Zur Person
Mag. Michel Haller
Vorstandsvorsitzender der Hypo Vorarlberg
Geboren: 1. August 1971
Ausbildung: Studium der Betriebswirtschaftslehre
Laufbahn: 1995–2002 bei der Hypo Vorarlberg im Kommerzkundenbereich und später Leiter Asset Management; Vorstand der Sparkasse Bregenz; seit 2012 Vorstand der Hypo Vorarlberg, seit 2017 Vorstandsvorsitzender
Familie: verheiratet, zwei Kinder