Wider den Generalverdacht

Soziale Unternehmen bieten 600 Langzeitarbeitslosen eine Chance. Ein Drittel kann vermittelt werden.
Schwarzach. (VN-reh) Tischler Roman Tschabrun (41) war nach einem Berufsunfall sieben Jahre lang arbeitslos. „Das Gefühl, nicht gebraucht zu werden, ist das Schlimmste“, sagt er. Elisabeth Loretz (56) und Karin Wolf (51) haben ein chronisches Bandscheibenproblem und finden ebenfalls keinen Job. „Bei jeder Bewerbung hieß es, zu alt, zu teuer“, erzählt Loretz. Andreas Jaug (55) führte ein Schreibwarengeschäft und schlitterte in den Konkurs.
Alle vier haben etwas gemeinsam: Sie haben nach einer langen Phase der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung bei einem der fünf sozialen Unternehmen in Vorarlberg gefunden. Bei der Aqua Mühle, bei carla, den Dornbirner Jugendwerkstätten, bei Integra oder den Kaplan Bonetti Arbeitsprojekten. Es schmerzt, dass man als Langzeitarbeitsloser unter dem Generalverdacht steht, nicht arbeiten zu wollen. Jetzt aber fühlen sie sich angenommen, wenn auch nur vorübergehend, denn die durchschnittliche Verweildauer liegt zwischen vier und sechs Monaten. Danach ist man entweder wieder arbeitslos oder aber man findet einen Job auf dem regulären Arbeitsmarkt. Das schafft rund ein Drittel der insgesamt 600 Menschen, die bei den sozialen Unternehmen sind. Bei den Dornbirner Jugendwerkstätten sogar jeder Zweite. Ist das nun viel oder wenig? Bernhard Bereuter, Leiter des Arbeitsmarktservice Vorarlberg, sieht das pragmatisch. Gäbe es die sozialen Unternehmen nicht, hätte dieses Drittel noch weniger Chancen auf eine Beschäftigung.
Die Gründe für Langzeitarbeitslosigkeit sind dabei vielfältig: Probleme mit der Gesundheit, Schicksalsschläge oder das Alter. Den Meisten fehlt aber die berufliche Qualifikation. Dass die Jobs im niederschwelligen Bereich immer weniger werden, erschwert zudem die Integration. Die sozialen Unternehmen helfen den Betroffenen auf ihrem Weg zurück in die Arbeitswelt.
Langfristigkeit erwünscht
Einen Impuls erhofft man sich durch die Beschäftigungsaktion 20.000, die in Vorarlberg im Juli in Bregenz startet. 400 zusätzliche Arbeitsplätze bei Gemeinden oder gemeinnützigen Organisationen sollen so für Menschen ab 50 Jahren, die länger als ein Jahr ohne Beschäftigung sind, geschaffen werden. Diese sind auf bis zu zwei Jahre ausgelegt. So eine Langfristigkeit würden sich die sozialen Unternehmen generell wünschen, also Modelle für dauerhafte Arbeitsplätze am erweiterten Arbeitsmarkt: „Vor allem für Menschen, deren Chancen auf Wiedereinstieg in den regulären Arbeitsmarkt aufgrund von Alter oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen nahezu aussichtslos sind“, sagt Verbandssprecherin Benedicte Hämmerle.
Das Leistungsspektrum der sozialen Unternehmen, das von Verpackungsdiensten, Postpartnerschaften, Landschaftspflege, Second-Hand bis hin zu Gastronomie reicht, wird von zahlreichen Unternehmen in Anspruch genommen.
Soziale Verantwortung
Eduard Fischer, Geschäftsführer der Offsetdruckerei Schwarzach, sieht das als Teil der sozialen Verantwortung. Zudem könne man so Arbeitsspitzen abdecken. Fischer möchte aber auch neue Modelle andenken, wie eine Teilqualizierung. „Der Betrieb qualifiziert jemanden zum Beispiel zu 60 oder 70 Prozent und die Differenz wird dazugezahlt.“ Derzeit werden die sozialen Unternehmen mit sieben Millionen Euro vom AMS sowie 2,6 Mill. Euro vom Land Vorarlberg gefördert, erklärt Harald Moosbrugger, Leiter der Wirtschaftsabteilung des Landes. Neue Finanzierungsmodelle werden derzeit intern diskutiert. Auch wenn soziale Unternehmen nicht gewinnorientiert sind, müssen sie die Hälfte des Umsatzes selbst erwirtschaften. Und sie geben Hoffnung. „Viele kommen anfangs mit einer ablehnenden Haltung und gehen nach ein paar Monaten weinend“, erzählt Uwe Golob, Bereichsleiter bei Integra, aus der Praxis. Oder wie Roman Tschabrun seine Beschäftigung bei den Kaplan Bonetti Arbeitsprojekten umschreibt: „Zur Arbeit kommen und glücklich sein.“

Soziale Unternehmen
» Aqua Mühle, carla, Dornbirner Jugendwerkstätten, Integra, Kaplan Bonetti Arbeitsprojekte
» Langzeitarbeitslose: 2919
» Beschäftigte bei sozialen Unternehmen: 600
» Durchschnittliche Beschäftigungsdauer: 4 – 6 Monate
» Jahresumsatz: 17 Millionen Euro
» Förderungen 2017: 7 Mill. Euro AMS, 2,6 Mill. Euro Land Vorarlberg