„Die Leute wollen Resultate“

Finanzminister Schelling zu Standort, kalter Progression und Sozialpartner-Querelen.
Bregenz. Nur wenn ein Unternehmen innovativ ist, kann es an einem Standort wie Vorarlberg bestehen, ist Finanzminister Hans Jörg Schelling überzeugt.
Wie zufrieden sind die Unternehmer mit Finanzminister Hans Jörg Schelling?
Schelling: Da müssen Sie die Unternehmer fragen, aber ich glaube im Großen und Ganzen ist vieles sehr gut gelaufen, das ein oder andere wurde kritisiert und manches ist auch aufgebauscht worden. Mit unseren Programmen mit Investitions- und Kommunalförderung oder Beschäftigungsbonus zeigen wir, wie wichtig uns der Standort ist und dass wir alles daran setzen, den Aufschwung durch starke Investitionstätigkeit zu prolongieren. Die Wirtschaft ist hohe Psychologie. Wenn es gut läuft, steigt die Stimmung, und umgekehrt. Daher glaube ich, dass wir viel erreicht haben. Die zweimalige Erhöhung der Forschungsprämie belebt gerade in einem Land wie Vorarlberg schon enorm und sichert den Standort ab. Denn das Match entscheiden am Schluss nur Innovation, Kreativität und Qualifikation.
Mit den Sozialpartnern läuft es momentan nicht rund. Was geht Ihnen dabei besonders gegen den Strich?
Schelling: Bei der Arbeitszeitflexibilisierung haben wir gesehen, dass es Schwierigkeiten gab. Ich glaube, der entscheidende Punkt für die Sozialpartner ist, dass sie zu einer Standortpartnerschaft werden. Den Vorschlag der Bundesregierung, dass ein 12-Stunden-Tag möglich ist bei gleichzeitiger Einhaltung der 40-Stunden-Woche und zusammenhängender Freizeit, hat nichts mit Lohnraub oder Überstundenkürzung zu tun. Die Wirtschaft braucht diese Flexibilität. Und auch bei den Mitarbeitern wird der Wunsch nach mehr Flexibilität immer größer. Das links-linke Dogma, wir tun nur etwas, wenn wir auch etwas bekommen, kann nicht funktionieren.
Bekommen die Sozialpartner mehr Zeit, wie gewünscht?
Schelling: Es gab eine klare Vereinbarung. Ich bin ganz bei Sebastian Kurz, dass es in Zukunft klarere Abgrenzungen benötigt, was die Regierung macht und was die Sozialpartner zu verantworten haben. Das Verteilen von Mitteln, die nicht existieren, hat keine Zukunft mehr. Die Sozialpartner sind wichtige Partner und haben ihre Verdienste, aber wenn sie zu keinem Ergebnis kommen, muss eben die Regierung handeln. Denn am Schluss werden wir von den Bürgern bewertet.
Nehmen Sie es der Wirtschaftskammer übel, dass sie mitfinanziert hat, gegen die Registrierkassenpflicht vorzugehen?
Schelling: Nein. Wenn ich mich korrekt verhalte, kann ich kein Problem damit haben, wenn man so ein System einführt. So zu tun, als ob das der Weltuntergang wäre, ist ein Irrtum, und da muss man sich schon fragen, warum dagegen protestiert wird.
Es gibt ein Bekenntnis zur Bundesstaatsreform im Finanzausgleich. Passiert ist aber nichts. Wer bremst hier?
Schelling: Wir haben ein paar Schritte gesetzt, zum Beispiel beim Eichbereich, und wollen, dass ab 2019 auf Bundesebene alle Formulare elektronisch funktionieren. Da sind die Länder voll an Bord und ich sehe viele konstruktive Vorschläge. Durch die Wahl hat sich das nun aber verzögert.
Gibt es beim Pflegeregress mittlerweile ein Konzept, wer das zahlt?
Schelling: Die Länder haben mit mir im Rahmen des Finanzausgleichs vereinbart, dass wir bei der Pflege den Fonds bis 2021 dotieren. Der Fonds wird jährlich mit 4,5 Prozent erhöht. Wir werden nun von den Ländern die Unterlagen zum Pflegeregress bekommen und schauen uns das an. Ich stehe voll und ganz hinter der Abschaffung des Pflegeregresses. Die Finanzierung ist gesichert und wird Eingang ins nächste Budget finden.
Noch offen ist die Abschaffung der kalten Progression.
Schelling: Mein Modell, das eine Inflationsabgeltung der Steuer ist, habe ich vorgelegt. Dem stimmt die SPÖ aber nicht zu, weil sie das Instrument der kalten Progression nützen will zur Umverteilung. Wir haben aber ein progressives Steuersystem. Wer mehr verdient, zahlt mehr Steuern. Wenn 20 Prozent der Österreicher 80 Prozent des Steueraufkommens leisten, haben wir also ohnehin einen hohen Umverteilungsgrad. Meine Auffassung ist, dass die nächste Bundesregierung das Thema kalte Progression unverzüglich umsetzen muss.
Bleibt die Begünstigung für das 13. und 14. Gehalt unantastbar?
Schelling: Mit Sicherheit. Insgesamt ist der Faktor Arbeit aber nicht durch Steuern am meisten belastet, sondern durch Sozialabgaben. Daher kann man das nur gemeinsam betrachten. Ich glaube, dass es viele Diskussionen geben wird zur Vereinfachung des Steuersystems und Entlastung des Faktors Arbeit.
Über wen mussten Sie sich in letzter Zeit mehr ärgern? Über WKÖ-Präsident Leitl oder Sozialminister Stöger?
Schelling: Ich ärgere mich über beide grundsätzlich nicht. Denn wenn ich mich ärgere, geht es auf meine Nerven, und ich brauche einen freien Kopf, um das Land zu gestalten. Ich habe da ein anderes Verständnis von gegenseitigem Umgang. Am Ende sind nicht populistische Ankündigungen das Heil, denn die Leute können keine Ankündigungen mehr hören. Sie wollen Resultate.
Zur Person
Hans Jörg Schelling
Bundesminister für Finanzen, ÖVP
Geboren: 27. Dezember 1953
Werdegang: BWL-Studium, Geschäftsleitung Leiner/Kika, XXXLutz, politische Funktionen im Gemeinderat, Nationalrat, Wirtschaftsbund, Aufsichtsratspositionen (Palmers, Telekom, Post, ÖVAG), ab 2008 AUVA-Obmann, danach Vorsitzender Hauptverband der Sozialversicherungsträger, ab 2014 Finanzminister