Der Schlüssel heißt Akzeptanz

Wieso es aktuell immer wieder zu starkem Widerstand gegen geplante Projekte kommt.
Schwarzach. Seestadt, Ölz in Weiler, Raststation Hörbranz, Grass-Hochregallager, Grünflächen am Garnmarkt oder Kiesabbau an der Kanisfluh – in den letzten Monaten wurde immer wieder lautstark gegen Projekte protestiert, und das in einem Ausmaß wie kaum jemals zuvor. Aber warum gibt es immer mehr Bürgerinitiativen, und wieso kommt es aktuell immer wieder zu starkem Widerstand gegen geplante Projekte? „Die Bürger werden oft zu spät oder gar nicht informiert, die Meinung der Anrainer zu wenig wertgeschätzt. Viele fühlen sich nicht verstanden“, erklärt Martin Dechant, Landesvorstand des Public Relations Verband Austria (PRVA), der das Thema aufgearbeitet hat. Aber auch wenn sich Projektbetreiber zugeknöpft geben, würden es Informationen beziehungsweise Teilinformationen so gut wie immer an die Öffentlichkeit schaffen. „Diese werden dann interpretiert und so entstehen Gerüchte. Das schafft oft Missmut, Aggression oder Unsicherheit. Die Folge ist meist offensiver Protest“, so Dechant.
Die Gründe, wieso es überhaupt zu Protest kommt, sind dabei vielfältig. Einer liegt im „not in my backyard“-Denken. „Also Recycling ja, aber bitte nicht in meiner Nachbarschaft“, gibt Dechant ein Beispiel. Genauso wird aufgrund von Umwelt- und Naturbestrebungen protestiert, gegen Kosten oder weil der Nutzen unklar ist.
Rolladenphänomen
Bei den betroffenen Unternehmen könne man dabei oft das Rolladenphänomen beobachten. „Viele reagieren erst darauf, wenn es eigentlich zu spät ist“, sagt Dechant. Also erst dann, wenn sich bereits Widerstand formiert hat. Vor allem die sozialen Medien würden heute vielen Menschen die Möglichkeit geben, zu kommunizieren und so eine Masse zu erreichen. „Das findet zunächst in einem geschützten Bereich statt, und der Projektbetreiber bekommt es dadurch erst später mit“, so der PRVA-Landesvorstand. So habe man bereits eine große Anzahl an Menschen gegen sich, bevor man es überhaupt gemerkt habe. „Viele Bürgeriniativen vermitteln zudem den Eindruck, dass sie 1:1 die Meinung der Bevölkerung abbilden“, sagt Dechant. Dabei habe man beispielsweise in Götzis gesehen, dass es oft anders ist. Dort hatte die Bevölkerung bei einer Volksabstimmung deutlich gegen den Vorschlag gestimmt, auf dem freien Grundstück beim Garnmarkt einen Park zu errichten.
Für die betroffenen Projektbetreiber bedeute das nun radikal umzudenken. Der Schlüssel dabei heißt Akzeptanz. „Projektträger müssen sich auf diese veränderte Ausgangslage für Bau- und Infrastrukturprojekte einstellen. Akzeptanz durch rechtliche Verfahren alleine genügt nicht mehr“, so der Experte. Akzeptanz müsse auch durch Kommunikation und Dialog hergestellt werden. Das sei zwar keine Garantie dafür, dass ein Projekt letztlich auch akzeptiert werde, aber zumindest können so die Emotionen eingefangen werden. „Gute Kommunikation bedeutet, die Bürger frühzeitig einzubeziehen und zu informieren, eine wertschätzende Grundhaltung, umfassende Faktenklärung und vor allem auch regelmäßig über den Projektfortschritt zu kommunizieren“, erklärt Dechant weiter. Eine mustergültige Kommunikation spricht er dabei den ÖBB zu, die mit dem Projekt Hauptbahnhof Wien eine hohe Akzeptanz geschaffen haben. Eine Baustelle mitten in der Stadt sorge nie für Freude, man habe dem aber mit Baustellenführungen und klarer Kommunikation sehr gut entgegengewirkt.
Rolle der Medien
Eine bedeutende Rolle komme dabei auch den klassischen Medien zu, so Dechant. Vor allem in deren Schleusenwärter-Funktion. „Solange etwas nur in den sozialen Medien stattfindet, ist es kein Thema. Fakt ist, erst wenn es ein Thema in die klassischen Medien geschafft hat, ist es relevant.“
Recht zu haben, reicht heute für ein Projekt nicht mehr aus.
Martin Dechant

Proteste von Anrainern.Fotos: VN/Paulitsch