Vom fehlenden Mut, etwas zu wagen

Franz Schellhorn ortet in Österreich viel Handlungsbedarf.
Schwarzach Ist der Staat Österreich reformierbar oder verliert der, der reformiert? Für Franz Schellhorn, Direktor der Denkfabrik Agenda Austria, ist die Antwort klar. Er glaubt an die Reformierbarkeit. Schließlich hätten bereits andere Länder bewiesen, wie man Probleme lösen kann. Schweden beim Pensionssystem, Deutschland beim Haushalt oder Neuseeland beim Förderwesen.
Genauso machbar ist für Schellhorn die Senkung der Steuer- und Abgabenquote. „Und das ohne einen einzigen Bleistift einzusparen“, so der Direktor im VN-Gespräch. Laut einer Berechnung der Agenda Austria sei eine 40-Prozent-Abgabenquote erreichbar, wenn die Konjunktur mitspielt, und die Staatsausgaben nicht stärker steigen als die Inflation. Bei guter Wachstumsphase müsste man nur gleichzeitig die Mehrausgaben einbremsen. „Schwierig wird es, wenn man gegenfinanzieren muss“, sagt Schellhorn.
Aber glaubt er wirklich an den großen Wurf nach den Wahlen oder bleibt letztlich doch alles beim Alten? „Ich bin immer optimistisch“, erklärt der Direktor, für den alles von der Führung abhängt. „Wenn sich zwei mit gemeinsamen Zielen zusammentun, wäre eine Bewegung da.“ Seine Prognose für den Wahlausgang? „Es wird an der Spitze viel knapper als gedacht.“
Aufgaben hätte die neue Regierung jedenfalls genug. Haushalt, Steuerpolitik, Arbeitsmarkt sind nur drei Themen, die er ihr ins Pflichtenheft schreibt. Die Arbeitslosigkeit gehe zwar zurück, allerdings sei sie immer noch sehr hoch. „Es gibt zwar ein starkes Wirtschaftswachstum, aber immer noch strukturelle Probleme“, so Schellhorn. Ein hohes Arbeitskräfteangebot im Osten Österreichs, eine hohe Nachfrage im Westen, aber niemand, der für einen Arbeitsplatz in ein anderes Bundesland zieht. Zudem verfügen viele Jobsuchende nicht über die passenden Kenntnisse für die offenen Stellen. Von Initiativen wie der Aktion 20.000 für Menschen über 50 Jahre hält er deshalb nicht viel. Damit würde man Jobs schaffen, die man vorher gar nicht gebraucht habe. Aber es sei – wie auch der Beschäftigungsbonus – Teil der in Österreich üblichen Symptombekämpfungsstrategie. Die Lohnnebenkosten für alle zu senken, wäre da die deutlich bessere Aktion, erklärt Schellhorn und zeigt sich enttäuscht darüber, dass der Versuch, die kalte Progression abzuschaffen, zum wiederholten Mal gescheitert ist. „Es wäre eine große Chance gewesen, aber da hat der Mut nicht gereicht. Es fehlt an politischem Willen“, konstatiert er der Politik.
Genauso werde man in Österreich für einen ausgeglichenen Haushalt kritisiert. „Dann heißt es, der Staat spart sich kaputt. Aber man kann nicht nur permanent verteilen. Allein die Wahlgeschenke kosten bereits eine Milliarde Euro“, rechnet er vor.
KV-Verhandlung auf Betriebsebene
Ausreichend Handlungsbedarf sieht er auch in der Rolle der Sozialpartner und plädiert dafür, Kollektivverträge nicht von ihnen ausverhandeln zu lassen, sondern auf die Betriebsebene zu verlagern. Ein mutiger Vorschlag. „In Deutschland funktioniert das gut. Es gibt allein so unterschiedliche Metallbetriebe, was Größe und Ertragskaft anlangt. Da wäre es besser, man könnte zusammen mit dem Betriebsrat flexibel reagieren. Aber auch das ist eine Mutfrage“, betont Schellhorn. Die gescheiterte Auslagerung der Thematik Arbeitszeitflexibilisierung an die Sozialpartner sei der letzte Hinweis gewesen, dass vieles nicht funktioniert. „Die Regierung hätte sagen müssen: Wenn ihr das nicht zusammenbringt, dann machen wir das Gesetz. Da fehlt ihr die Leadership-Qualität.“ Als Unternehmer habe man permanent Risiko zu tragen, die Politik komme dem aber nicht nach. „Um nicht Gefahr zu laufen, abgewählt zu werden.“ Und dennoch: Etwas stirbt bekanntlich zuletzt. Auch bei Franz Schellhorn. „Ich habe die Hoffnung, dass sich das bald ändert.“
„Um endlich die kalte Progression abzuschaffen, hat wieder einmal der Mut gefehlt.“