Hannes Androsch

Kommentar

Hannes Androsch

Österreich – wie weiter?

Markt / 22.12.2017 • 22:19 Uhr

Österreich geht es gut. Im Sog der europäischen Konjunktur boomt auch unsere Wirtschaft. Allerdings könnte es uns längst besser gehen, wie die Beispiele Schweiz, Niederlande, Schweden oder Deutschland zeigen, wenn nicht hartnäckig verhindert und Zukunftswichtiges unterlassen worden wäre.

Für die nunmehr erfreuliche Entwicklung waren und sind offene Grenzen und die Möglichkeiten des freien Welthandels Voraussetzung. Dies gilt umso mehr für ein kleines Binnenland wie Österreich. Diese Voraussetzungen sind nur im größeren Ganzen der EU gegeben. Eine Festung Europa oder eine alpine Wagenburg wären verheerend. Daher sind ein Öxit oder eine Visegrád-Orientierung kontraproduktiv und abzulehnen. Diesbezüglich ist jedoch Sorge angebracht, da erst kürzlich die rechtsradikalen Parteien bei ihrer Tagung in Prag die Zerstörung der EU als Ziel erklärt haben. Umso wichtiger ist eine klare, zweifelsfreie europäische Orientierung.

Nach einem inhaltsleeren Wahlkampf mit substanzlosen Floskeln haben wir nun eine neue Regierung. Deren Programm ist weitgehend vage und vieles der künftigen Evaluierung überlassen. Eine Ausnahme im negativen Sinn ist der gesundheitspolitische Rückschritt durch die Aufhebung des beschlossenen Rauchverbotes. Offen im Einzelnen sind alle anstehenden Reformaufgaben. Doch die Nagelprobe wird das anstehende Doppelbudget sein. Schließlich ist dies das in Zahlen gegossene Regierungsprogramm. Der nunmehr seit dem Jahr 2000 achte von der ÖVP gestellte Finanzminister ist mit einer Schieflage der Staatsfinanzen bei gleichzeitiger Rekordsteuer­belastung und einem riesigen Schuldenberg konfrontiert. Neue zusätzliche Ausgaben, aber auch weitere Ämter sind vorgesehen.

Daher ist abzuwarten, mit welchen Ausgabenkürzungen die Steuerentlastung um 14 Milliarden auf 40% des Sozialproduktes reduziert, die Schuldenlast eingedämmt werden kann, aber gleichzeitig endlich den Universitäten 2% und der Landesverteidigung 1% der Wirtschaftsleistung sowie die nötigen Mittel für die Kindergärten zur Verfügung gestellt sowie die erforderlichen 10 Milliarden für den flächendeckenden Breitbandausbau und 5 Milliarden für die Ausholung von 5G sichergestellt werden können. Bei aller Bereitschaft zum benefit of the doubt gilt Goethes Aufforderung: „Der Worte (und Ankündigungen) sind genug gewechselt, lasst uns nun endlich Taten sehen.“

„Nach einem inhaltsleeren Wahlkampf mit substanzlosen Floskeln haben wir nun eine neue Regierung.“

Hannes Androsch

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Dr. Hannes Androsch ist Finanz­minister i. R. und Unternehmer.