“Es gibt keine interessantere Zeit als jetzt”

Markt / 19.01.2018 • 18:15 Uhr
Am Hauptsitz in Rankweil sollen 50 bis 60 Millionen Euro investiert werden.
Am Hauptsitz in Rankweil sollen 50 bis 60 Millionen Euro investiert werden.

Volker Buth hat keine Angst vor Umbrüchen. Vielmehr sieht er die enormen Chancen.

Rankweil Volker Buth ist seit 2007 Geschäftsführer bei Hirschmann Automotive. Im Interview spricht er über Krisen und Chancen und warum die Zeit so spannend ist wie noch nie.

 

Hirschmann ist 2017 zweistellig und damit über dem Markt gewachsen. Was lässt Sie so gut reüssieren?

Buth Unsere Strategie ist, doppelt so schnell zu wachsen wie der Markt. Das ist uns in den letzten Jahren auch gelungen. Erfolgsrezept sind ganz zentral die Mitarbeiter. Dazu kommt die Differenzierung zu unseren Wettbewerbern. Wir sind sehr stark prozessorientiert, haben unseren eigenen Werkzeugbau und flankierend eine gute Ausbildung. Unsere Produkte sind keine Massenware, sondern „single source“-Produkte. Das heißt, wenn wir zuliefern, haben wir keine Wettbewerber und liefern in eine automobile Plattform wie zum Beispiel einen BMW über die gesamte Laufzeit. Das gibt uns Sicherheit.

 

Ist Hirschmann gewappnet für den Umbruch, der der Automobilindustrie bevorsteht?

Buth Ich glaube, das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Disruption. Die Lebenszyklen von Produkten werden kürzer und kürzer. Wir werden gewaltige Technologiesprünge in allen Branchen erleben. Das stellt die Unternehmen und die Gesellschaft vor immense Herausforderungen. Wir werden nie wieder 40 Jahre lang die gleiche Tätigkeit machen. Darauf müssen wir uns einstellen. Das muss aber nicht negativ sein. Aus diesem Prozess ergeben sich unglaubliche Chancen. Aber es wird diejenigen geben, die diese Geschwindigkeit mitfahren können und leider jene, die dem nicht mehr folgen können. 

 

Heißt, es gibt einen Ausleseprozess?

Buth Das hat es über die Jahrhunderte immer wieder gegeben. Das wird auch so bleiben. In Zukunft werden neue Anforderungen an uns alle gestellt werden. Wir müssen uns verändern, neu erfinden und auch Gefallen an der Veränderung haben. Nur wenn die Leidenschaft zur Veränderung da ist, werden wir überleben. Beim Automobil gibt es die Megatrends autonomes Fahren und Elektrifizierung.

 

Fahren wir bald alle vollelektrisch?

Buth Das kann man erst in vier, fünf Jahren absehen. Im Moment ist die CO2-Bilanz nicht positiv für das elektrische Fahren, weil bei der Herstellung der Batterietechnik schon so viel CO2 entsteht, dass ich damit ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor und Benzinantrieb über acht Jahre lang fahren könnte. Die Zulassungen bei Elektroautos sind aktuell relativ gering, trotz Unterstützung des Staates. Es fehlt an der Ladeinfrastruktur, und solange die Reichweiten unter 200 Kilometer sind, macht es wenig Sinn.

 

Hirschmann hat die Finanzkrise hinter sich, genauso wie die Automobilkrise. Ist es dadurch einfacher, den nächsten Umbruch anzugehen?

Buth Nein, ich glaube, jeder Umbruch hat seine spezifischen Herausforderungen. Was wir jetzt erleben, ist der Umbruch in die Industrie 4.0. In naher Zukunft werden unsere Maschinen miteinander kommunizieren, sich in Prozessen optimieren. Das ist das Gebiet, das uns in den nächsten zehn Jahren intensiv beschäftigen wird und darauf bereiten wir uns intensiv vor.

 

Hier spielt Innovation eine große Rolle. Wo kann man noch besser werden?

Buth Das Schöne an uns ist, dass wir uns immer wieder verbessern können. Wer glaubt, gut zu sein, hört auf, besser zu werden. Im Produktdesign gibt es permanent Möglichkeiten, weitere Funktionen zu integrieren. Genauso im Prozess, in der Digitalisierung oder in der Zusammenarbeit. Ich wollte eigentlich nie jünger sein als ich bin, aber wenn ich die Herausforderungen sehe, die auf uns zukommen, würde ich gerne jünger werden, um diese mitzugestalten. Es gibt keine interessantere Zeit als jetzt.

Sie produzieren in Europa, Afrika, Asien und Amerika. Wie unterscheiden sich die Standorte?

Buth Wir sind überall besonders produktiv, aber wir haben überall auch besondere kulturelle, religiöse Voraussetzungen, die einen gewissen Einfluss haben. Auch wir müssen uns dort anpassen. Nur in Mexiko sind wir in einer ähnlichen Kulturzone wie in Europa. Wichtig ist, dass wir unsere Hirschmann-Kultur überall ausgerollt haben. Wir wollen die Besten in kundenspezifischen Lösungen im Automobilbereich sein.

 

Sie haben im Jahr 2016 ein Werk in Mexiko eröffnet, danach kündigte US-Präsident Donald Trump den Produzenten dort den Kampf an. War die Standortwahl in diesem Licht letztlich die richtige?

Buth Auch Trump hat einen Senat vor sich, der mitentscheidet. Die großen Sprünge sind alle nicht durchgegangen. Es sieht so aus, als ob mehr Entertainment als Tagespolitik gemacht würde. Wir würden uns wieder für Mexiko entscheiden. Ohne Mexiko kann kein amerikanisches Automobil mehr produziert werden. Das wieder zurückzuholen, ist ein Projekt über ein Jahrzehnt und in wenigen Jahren überhaupt nicht durchführbar.

 

Welche Pläne verfolgen Sie am Hauptquartier in Rankweil?

Buth Wir investieren seit vielen Jahren zwischen zwölf und 16 Prozent des Umsatzes in unsere Zukunft. Die Mammutaufgabe der vergangenen Jahre war es, einen globalen Fußabdruck zu erreichen. Wir müssen global vertreten sein, um überhaupt anbieten zu können. Seit zwei Jahren ist Rankweil im Fokus unserer Investitionen und wird es auch in den kommenden zwei Jahren sein. Hier werden 50 bis 60 Millionen Euro in Erweiterungen und ein neues Verwaltungsgebäude fließen. Das freut mich vor allem für die Mitarbeiter. So können wir jetzt über eine Periode von zehn Jahren in eine abgesicherte Zukunft schauen. Wir haben die Arbeitsplätze hier nachhaltig abgesichert und auch perspektivisch gut aufgestellt.

„Es verändert sich derzeit so vieles, dass enorme Chancen entstehen.“

Volker Buth ist seit dem Jahr 2007 bei Hirschmann Automotive. Der Geschäftsführer und studierte Maschinenbauer ist stolz auf das Unternehmen und seine Mitarbeiter. Vorarlberg ist für ihn Heimat geworden. VN/Stiplovsek
Volker Buth ist seit dem Jahr 2007 bei Hirschmann Automotive. Der Geschäftsführer und studierte Maschinenbauer ist stolz auf das Unternehmen und seine Mitarbeiter. Vorarlberg ist für ihn Heimat geworden. VN/Stiplovsek

Kennzahlen

Geschäftsführung Volker Buth, Thomas Mayer

Eigentümer F & R Industriebeteiligungen GmbH

Umsatz 340 Millionen Euro (+13%)

Mitarbeiter 5000, 1000 in Rankweil

Investitionen 2018 100 Mill. Euro
Exportanteil 100 Prozent
Werke Rankweil, Nantong, San Miguel (Mexiko), Tirgu Mures (Rumänien), Vsetin (Tschechien), Kenitra (Marokko)

Privat

Geboren 2. Juni 1959
Ausbildung Maschinenbau-Ingenieur an der Ruhr-Universität Bochum mit Abschluss Diplom-Ingenieur

Laufbahn 1987 Vertriebsingenieur bei der AMP; 1999 Sales und Marketing Verantwortung, 2001 Vice President Tyco Electronics, 2006 Vice President Global Sales, seit 2007 Geschäftsführer Hirschmann-Automotive

Familie verheiratet

 

Als der deutsche Automotive-Manager Volker Buth sich entschlossen hat, nach Vorarlberg zu kommen, war das eine Entscheidung fürs Leben: „Vorarlberg ist meine Heimat geworden“, sagt er im Brustton der Überzeugung. Die Menschen haben ihn mit offenen Herzen angenommen, erzählt der Hirschmann-Chef. Vielflieger Buth reist auch in der Freizeit gerne. „Ich bin gerne in Spanien“, berichtet er. In Vorarlberg gehe er gerne in die Berge, zu Fuß, er fahre aber auch gerne mit dem Fahrrad, das sei für ihn ein guter Ausgleich zur Arbeit, die er aber ausdrücklich liebt. Gerade derzeit sei es eine spannende Zeit, in der man viel bewegen kann.