Hannes Androsch

Kommentar

Hannes Androsch

Gedenken und Voraussicht

Markt / 26.01.2018 • 22:12 Uhr

2018 ist ein mehrfaches Gedenkjahr an bis heute wirkungsmächtige Ereignisse. Überragend dabei das Ende des Ersten Weltkriegs 1918, dieser Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Sein Ende war aber nur ein Waffenstillstand bis zum Zweiten Weltkrieg und damit nach dem von 1618 bis 1648  ein zweiter Dreißigjähriger Krieg. Gegenwärtig tobt ein dritter im Nahen Osten ohne Aussicht auf einen Westfälischen Frieden oder einen friedlichen Neubeginn wie 1945.

Mit Ende des Ersten Weltkriegs zerfielen vier Imperien: das Reich der Zaren, der Hohenzollern, der Osmanen und das 640 Jahre alte Habsburgerreich. Unsere Erste Republik blieb als geknebelter, in sich gespaltener Rest zurück. Sie war ein Staat, den keiner wollte, ungeliebt und von einem Reduktionsschock getroffen, ein Land, an dessen Lebensfähigkeit kaum jemand glaubte. Der Anschluss an Deutschland war verboten, und als er 1938 per Annexion dennoch erfolgte, war bei vielen der Jubel groß, um dann aber für die meisten rasch in einen noch größeren Katzenjammer überzugehen. Umso beachtenswerter der 73 Jahre währende Erfolg der Zweiten Republik. Unser Land ist eines der wohlhabendsten der Welt, mit geräumigem Sozialsystem. Wir leben in Frieden und Freiheit, Sicherheit und Wohlstand. Dessen sollten wir uns nach der Weisheit „Der Kluge horcht in die Vergangenheit, denkt an die Zukunft und handelt in der Gegenwart“ dankbar und zukunftsverantwortlich bewusst sein, denn es gilt Albert Einsteins Weisheit „Wichtiger als die Vergangenheit ist mir die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ Daher sollten wir wissen, woher wir kommen und wo wir stehen, noch mehr aber, wohin wir gehen wollen und was wir dafür tun müssen. Der überwiegende Teil der Österreicher ist mit dem Leben, seiner Arbeit zufrieden. 77 Prozent stimmen der EU zu. Sie haben erkannt, wie wichtig die europäische Integration ist. All das darf uns mit Selbstvertrauen erfüllen, aber nicht mit Selbstgefälligkeit. „Was du erbst von Deinen Vätern (und Müttern), erwirb es, um es zu besitzen“, so Goethe. Mit diesem Verständnis sind wir in Verantwortung für kommende Generationen verpflichtet, das Erreichte zu sichern und Neues in einer Welt dramatischer Veränderungen zu bewirken. Nicht durch Beharren, sondern nur durch Gestaltung der Zukunft, sozialen Ausgleich und Bekämpfung von Bildungsarmut. Dafür gibt es gerade in digitaler Zeit jede Menge zu tun. Wenn der Wind der Veränderungen bläst, gilt es Segel zu setzen, anstatt in eine vermeintliche Gartenlaube zu flüchten.

„Der überwiegende Teil der Österreicher ist mit dem Leben zufrieden.“

Hannes Androsch

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Dr. Hannes Androsch ist Finanz­minister i. R. und Unternehmer.