Es braucht den freien Handel

Markt / 07.03.2018 • 18:32 Uhr
Es braucht den freien Handel

Daimler-Chef Zetsche über Strafzölle, Dieselstrategie und seine kultigen
Videobotschaften an die Mitarbeiter.

Das Sakko abgelegt, in Jeans und mit blauen Sneakers: Ein gut gelaunter Daimler-Boss wartet im provisorisch, aber stilvoll eingerichteten Besprechungszimmer am Genfer Automobilsalon auf seine Gesprächspartner. Themen gibt es heute viele. Die Sorgen um einen bevorstehenden Handelskrieg zwischen Europa und den USA sind die beherrschende tagespolitische Nachricht. „Ich weiß nicht, ob wir besorgt sein müssen“, sagt Dieter Zetsche gleich zu Beginn, stellt aber auch klar: „Meine grundsätzliche Überzeugung war und wird es immer sein, dass jeder vom freien Handel profitiert.“ Nun gebe es allerdings eine Entwicklung, die in eine andere Richtung gehe. „Das wäre definitiv nicht gut für die Weltwirtschaft“, macht er deutlich. Nachsatz: Es sei aber noch zu früh, um schon jetzt sagen zu können, was passieren werde. In englischer Sprache drückt Zetsche vor der kleinen Gruppe, zu der auch amerikanische Journalisten zählen, seine Hoffnung aus, dass sich am Ende ja vielleicht doch noch alles zum Guten entwickelt.

Chinesischer Großaktionär

Zetsche ist aktuell ein begehrter Interview­partner. Deutschlands charismatischster Manager hat Daimler zu einem hoch profitablen Unternehmen gemacht. Der Konzern ist auf Kurs, die Weichen für die Zukunft sind gestellt. Die Kassen des Autobauers sind für anstehende Investitionen prall gefüllt. Ruhige Zeiten sind es derzeit dennoch nicht. Ein Überraschungscoup macht Schlagzeilen und wirft Fragen auf. Vor gut einer Woche hatte der chinesische Milliardär Li Shufu angekündigt, mit knapp zehn Prozent bei Daimler einzusteigen. Der Chef des chinesischen Autobauers Geely, der auch Volvo besitzt, hat sich den Aktienkauf 7,5 Milliarden Euro kosten lassen.

Ein erstes Treffen zwischen Zetsche und dem neuen Großaktionär hat es bereits gegeben. Der Geely-Gründer habe die Auffassung vertreten, dass es im zukünftigen Wettbewerb mit Technologiefirmen sinnvoll sei, wenn in der Autobranche Kräfte gebündelt werden, sagt Zetsche. „Wir haben das auch so gesehen,“ Der Daimler-Chef schränkt allerdings ein, dass man in China bereits einen langjährigen Partner habe und zu prüfen sei, ob dieser damit auch kein Problem hat.

Der Einstieg von Geely bei Daimler hatte die deutsche Politik aufgeschreckt. Die Frage nach dem Einfluss des neuen Großaktionärs hat für Aufregung gesorgt. Dieter Zetsche hat eine pragmatische Antwort darauf. „Er hat ungefähr 9,69 Prozent Einfluss bei den Fragen, die auf der Hauptversammlung zur Diskussion stehen. Wir hoffen, dass er die wahrnimmt.“

Gemeinsame Interessen könnte es bei Elektrofahrzeugen geben. Bis 2025 sollen zwischen 15 und 25 Prozent der Autos, die bei Daimler vom Band laufen, Elektromotoren haben. „Es gibt ein klares Bekenntnis zur E-Mobilität“, sagt der Firmenchef. Das Thema müsse man allerdings gesamtheitlich betrachten. Das Auto selbst sei nur ein Element davon. Zetsche spricht von vielen Aufgaben, die noch warten. Es brauche sauberen Strom, eine saubere Batterieproduktion und eine entsprechende Ladeinfrastruktur. „Global betrachtet sind wir da noch Lichtjahre entfernt“, so der 64-Jährige. Es reiche jedenfalls nicht, wenn nur das Fahrzeug emissionsfrei fahre. Bei Daimler ist die Elektrifizierung auch nicht den Autos vorbehalten. Auch bei den Lkw werde es elektrische Antriebe geben: „für besondere Transportanforderungen, dort wo es Sinn macht.“ Zetsche nimmt die Langstrecken davon aus.

Saubere Dieseltechnologie

Den Elektroantrieben gehört die Zukunft. Platz soll es aber auch weiterhin für Dieselaggregate geben. Ganz im Gegenteil zum globalen Marktführer Toyota, der für Europa ein baldiges Aus für Diesel angekündigt hat, setzt Mercedes-Benz weiter auf die Selbstzündertechnologie. „Wir wissen, dass unsere aktuelle Generation von Dieselmotoren sehr sauber ist. Sie erfüllt die aktuellen Emissionsgesetze und besitzt die Voraussetzung dafür, auch alle zukünftigen zu erfüllen“, so Zetsche. Dieselmotoren würden einen signifikanten CO2-Vorteil bieten. Deshalb müsse das Potenzial dieser Technologie auch genutzt werden. In Genf hat Mercedes mit der überarbeiteten C-Klasse auch erstmals eine Plug-In-Hybridversion mit Dieselmotor vorgestellt. Effizienter als Benzin-Hybrid-Modelle seien sie, sagt der Automanager. Vom zusätzlichen Angebot sollen sowohl der Flottenverbrauch als auch Kunden profitieren können. Kurz fällt die Antwort aus, ob die möglichen Fahrverbote in deutschen Städten etwas an der Dieselstrategie ändern können. „Nein, nächste Frage.“ Bestimmt, aber mit einem Lächeln verbunden, will Zetsche erst gar keine Zweifel aufkommen lassen.

Kulturwandel in Führungsebenen

Der Diesel gehört zu Mercedes-Benz wie der prächtige Schnauzbart zum Daimler-Manager. Er ist sein Markenzeichen, das nur einmal virtuell für eine Grußbotschaft an die 284.000 Mitarbeiter am Jahresende 2017 weichen musste. Die Clips haben Kultstatus, weil sich der Chef dabei auch mal selbst auf die Schippe nimmt. Zum Wandel des Unternehmens und dem im Video verschwundenen Schnauz sagt Zetsche im Film: „Es ist auch klar, dass nicht jede Veränderung eine Verbesserung ist.“ Die Lacher hat er damit auf seiner Seite. Das alles hat aber auch einen ernsten Hintergrund. Zetsche hat 2015 einen Kulturwandel im Unternehmen angestoßen. „Leadership 2020“, heißt das Programm, das die Führungsstruktur des Konzerns auf neue Beine stellen soll. Wenn es um Bereiche wie Digitalisierung und Elektrifizierung geht, braucht es an einigen Stellen des Autokonzerns andere Entscheidungsprozesse, um schneller sein zu können. Bei Daimler wollte man auch außerhalb der gewohnten Strukturen etwa mit Start-ups arbeiten. „Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass der Gesamtimpuls so nachhaltig sein würde“, sagt Zetsche heute. Man sei mit dem Kulturwandel bereits an einem Punkt, wo es kein Zurück mehr gebe. „Es ist eine Dynamik entstanden, die uns sehr weit bringen wird.“

Was den eigenen Führungsstil betrifft, sieht Zetsche keine allzu großen Veränderungen. Vielmehr sei es ein sehr talentiertes Team von Mitarbeitern um ihn herum, die viele gute Ideen hätten. Sie geben ihm auch ein gutes Gefühl für die Zukunft des Konzerns. Zetsches Vertrag als Vorstandsvorsitzender der Daimler AG läuft noch bis Dezember 2019. „Wir brauchen die richtigen Leute, die das Steuer übernehmen und die Firma in die Zukunft führen“, sagt der dreifache Vater. Die scheint Daimler jedenfalls zu haben. Zetsche lehnt sich in seinen Sessel zurück. Er sei zufrieden. Das hätte man auch am breiten Lächeln erkennen können.

Wir brauchen die richtigen Leute, die das Steuer übernehmen und das Unternehmen in die Zukunft führen. Ich habe da jedenfalls ein sehr gutes Gefühl.

Interviewtermin am Genfer Autosalon: Dieter Zetsche mit VN-Chefredakteur-Stv. Michael Gasser. Hebestreit
Interviewtermin am Genfer Autosalon: Dieter Zetsche mit VN-Chefredakteur-Stv. Michael Gasser. Hebestreit

88. Autosalon Genf

Von heute, 8. März, bis zum 18. März öffnet der 88. Genfer Automobilsalon seine Tore. Die Automobilindustrie zeigt auf einer der wichtigsten Branchenmessen 110 Welt- und Europapremieren. Zu den Highlights der Messe zählen neben der neuen A-Klasse von Mercedes-Benz eine Vielzahl an Modellen mit alternativen Antrieben. So zeigt etwa Jaguar sein erstes rein elektrisches SUV. Toyota hat den neuen Auris mit Hybridantrieb nach Genf gebracht, und der VW-Konzern gibt einen Ausblick auf eine emissionsfreie Zukunft.

 

Am Samstag, 10. März, bringen die VN eine ­umfangreiche Sonderberichterstattung aus Genf.

Zur Person

Dr. Dieter Zetsche

Vorstandsvorsitzender der Daimler AG. Leiter Geschäftsfeld Mercedes-Benz Cars

Geboren 5. Mai 1953

Laufbahn 1976 Eintritt im Forschungsbereich Daimler-Benz, seit 2006 Vorstandsvorsitzender