“Ein Fest kann völkerverbindend sein”

Markt / 08.06.2018 • 18:45 Uhr
Bis Sonntag läuft das Fest. Ewald Böhler freut sich über den sehr guten Zuspruch.

Bis Sonntag läuft das Fest. Ewald Böhler freut sich über den sehr guten Zuspruch.

Schausteller Ewald Böhler über die Faszination des Berufs und den Zusammenhalt in der Branche.

Bregenz Ewald Böhler ist nicht nur Organisator des Bregenzer Frühlingsfests, sondern reist als Schausteller durch die Lande. Im Interview spricht er über den Alltag, die Bedeutung von Volksfesten, und warum sie völkerverbindend sind.

 

Das Bregenzer Frühlingsfest, das Sie veranstalten, geht morgen zu Ende. Wer kommt auf den Rummelplatz?

Böhler Die Zielgruppe ist eigentlich jedermann. Vom Kleinsten bis zum Größten in der Gesellschaft, denn auf dem Rummelplatz stehen das Kind und die Familie im Mittelpunkt. Kinder sitzen neben Kindern, egal welche Nationalität sie haben. Ich glaube, dass das völkerverbindend sein kann. Der Mensch muss sich in der Generation verbinden. Das kann nicht die Politik machen. Man muss lernen, im Frieden miteinander Spaß zu haben. Das war immer schon der Grundsatz des Volksfestes. Immer, wenn ein Kaiser geheiratet hat, und dies umstritten war, gab es ein Fest für das Volk. Viele kommen auch, geben mir 20 Euro, und sagen, gib das jemandem, der sich keine Fahrt leisten kann. Das sind sehr schöne, menschliche Erlebnisse.

 

Den Beruf des Schaustellers gibt es seit dem Altertum. Heute gibt es Freizeitparks und das Internet. Wie wirkt sich das auf Ihr Gewerbe aus?

Böhler Entstanden ist der Beruf aus dem Zurschaustellen. Da gab es Kuriositäten wie Riesen oder eine Kuh mit sechs Füßen. Mit der Technisierung und den Fahrgeschäften hat sich der Beruf stark gewandelt. Es wird ihn aber meiner Ansicht nach immer geben. Den Menschen Freude zu bereiten, gibt unglaublich viel Kraft zurück. Heute muss schon auch Nostalgie mit dabei sein, etwa ein Kettenkarussell. Man braucht den Mix zwischen Neuem und Traditionellem, damit es allen gefällt. Zudem ist ein vielfältiges kulinarisches Angebot sehr wichtig.

 

Wie hoch ist der Druck, immer neue Attraktionen zu bieten?

Böhler Das „schneller und höher“ hat sich Gott sei Dank mehr auf die Freizeitparks verlagert. Klar haben wir am Frühlingsfest auch die größte Schaukel und den größten Freifallturm Europas. Da müssen wir mithalten, aber es geht letztlich um den Mix. Der Mensch soll nicht so getrieben werden, dass er nicht mehr weiß, was er morgen will. Wir können helfen, zu entschleunigen.

Wie schaut Ihr Alltag als Schausteller aus? Wie viel sind Sie unterwegs?

Böhler Wir sind viel unterwegs, hauptsächlich in Vorarlberg, in Tirol und der Schweiz. Man kennt sich untereinander. Ob es dein Freund oder Feind ist, man muss gut auskommen. Konkurrenzkampf ist das eine, aber am Abend steht man zusammen und tauscht sich aus.

Welche Rolle spielt die Sicherheit?

Böhler Wir haben gute Institutionen, die das kontrollieren, und es gibt eine neue Norm, nach der nun in Europa bzw. auf der ganzen Welt einheitlich geprüft wird. Früher gab es verschiedene Normen. Jetzt wissen die Hersteller, nach welchen Richtlinien sie bauen müssen. Für jede Anlage gibt es einen genauen Prüfplan. Alles wird dokumentiert.

 

Wie entscheidet sich der Tour-Plan?

Böhler Es gibt gewisse Fixpunkte im Jahr. Die anderen Feste teilen wir dann nach diesen Eckpunkten ein. Beim Frühlingsfest, das wir selbst veranstalten, müssen wir immer schauen, dass die Schausteller, die zu uns kommen, vorher bereits in der Nähe Station machen und danach im Radius von 300 Kilometern weiterreisen können. Wenn man große Attraktionen von Holland herbringen will, muss man auf das achten. Deshalb halten wir auch mit anderen Veranstaltern Kontakt und tauschen uns aus, denn viele Schausteller haben Kinder und diese sollten drei, vier Wochen in die gleiche Schule gehen können.

Ist es in der Branche schwierig, Arbeitskräfte zu finden?

Böhler Wir haben keine Probleme damit und haben viele langjährige Mitarbeiter. Wenn man einmal hier gearbeitet hat, kommt man kaum weg von diesem Job. Man muss sehr vielseitig sein und von der Elektrik bis zur Mechanik einiges verstehen. Deshalb sind unsere Leute auf dem Markt sehr begehrt.

 

Gibt es wie in der Musik Stars, also bei Ihnen Attraktionen, die man gerne auf dem Fest haben möchte?

Böhler Man sollte schon Abwechslung haben und neue Sachen bringen. Nächstes Jahr bekommen wir zum Beispiel das höchste fahrbare Kettenkarussell in Europa. Das muss man aber schon ein, zwei Jahre vorher planen. Dafür muss man sich in der Branche gegenseitig kennen und zusammenarbeiten. Wenn zum Beispiel jemand auf einem anderen Fest vorgesehen ist, aber eine Panne hat, ruft man mich an und ich bringe den Autoscooter. Allein geht es nicht. Das weiß jeder und darum funktioniert es auch gut.

 

Wie wird man Schausteller? Aus Leidenschaft oder per Geburt?

Böhler Die meisten sind es von Geburt an. Wenn man als Kind in einer Schaustellerfamilie aufwächst, gibt es ganz wenige, die danach etwas anderes machen. Da gibt es einen enormen Zusammenhalt in der Gemeinschaft. Man hilft sich gegenseitig. Das ist schön zu sehen. Ich habe es nicht im Blut, bin aber hineingewachsen. Ich bin gelernter Tischlermeister und bin durch meine Partnerin in das Geschäft gekommen.

 

Wie viele Schausteller gibt es in Vorarlberg noch?

Böhler In Vorarlberg gibt es schon noch einige gemeldete Betriebe. Von jenen, die als Schausteller reisen, sind wir aber die einzigen, die übrig geblieben sind. Denn als in der Schweiz neue Normen kamen, war das sehr streng und es war teuer, diese Bewilligung zu bekommen. Es hat letztlich zwar gedauert, dort ein Netzwerk aufzubauen, aber heute reisen wir das halbe Jahr in der Schweiz. Ein Vorteil ist die Nähe, weil wir immer wollten, dass unser Sohn in Vorarlberg ganz normal in die Schule gehen kann. 

„Wir müssen wieder mehr miteinander leben. Die neue Generation lernt das völlig anders.“

Ewald Böhler hat mit der Organisation des Bregenzer Frühlingsfests, auf dem er auch selbst als Schausteller vertreten ist, alle Hände voll zu tun. VN/Steurer
Ewald Böhler hat mit der Organisation des Bregenzer Frühlingsfests, auf dem er auch selbst als Schausteller vertreten ist, alle Hände voll zu tun. VN/Steurer

Kennzahlen

Gegründet 1990

Geschäftsführung Ewald Böhler (Logistik und Technik), Susanne Fessler (Organisation) 

Mitarbeiter 24 im Schaustellerbetrieb Böhler, 130 beim Frühlingsfest Bregenz

Fahrgeschäfte 14 vom Autodrom bis zum Simulator 6D, außerdem Gastronomie für Volksfeste

Region vor allem Vorarlberg und Schweiz

Privat

Ewald Böhler

Schausteller, Veranstalter Frühlingsfest, Adventmarkt Bregenz

Geboren 19. Juni 1968

Ausbildung gelernter Tischler

Laufbahn elf Jahre in diesem Beruf gearbeitet, seit 28 Jahren selbstständig als Schausteller

Familie in Partnerschaft mit Susanne Fessler, ein Sohn

 

Während der Festsaison bleibt Ewald Böhler wenig Freizeit, doch wenn, dann freut er sich auf eine Motorradtour, erzählt er. Doch ein Ausgleich zum hektischen Geschäft ist ihm wichtig. Heuer im Frühling waren er und Partnerin Susanne auf dem Jakobsweg von Porto nach Santiago de Compostela unterwegs. Er schwärmt noch heute davon: „Das war wunderschön.“ Heuer will er im Urlaub in die Schweiz wandern – „alles, nur nicht fahren im Urlaub“, lacht er. Im Endeffekt gehe es darum, zu entschleunigen. „Wenn du nach so einer Tagesetappe richtig müde bist, dann kommst du weg vom Alltag.“ Im Winter sieht man ihn auf den Brandner Pisten: „Skifahren, fein essen, über Gott und die Welt reden.“