“Nicht jeder Wunsch ist auch ein Bedarf”

Die Projekte werden je nach Bedarf und Wunsch der Gemeinde realisiert.
Hans-Peter Lorenz über das Spannungsfeld von steigenden Errichtungskosten und leistbarem Wohnen.
Dornbirn Hans-Peter Lorenz leitet mit der Vogewosi den größte gemeinnützigen Wohnbauträger in Vorarlberg. Im Interview spricht er über leistbares Wohnen, steigende Ansprüche und Vorurteile.
Die Vogewosi hat knapp 17.000 Wohnungen in der Verwaltung und baut kräftig neu. Gleichzeitig steigt der Bedarf. Inwieweit können Sie diesen überhaupt decken?
Lorenz Die Frage ist grundsätzlich, was überhaupt ein Bedarf ist? Solange wir einen Bevölkerungszuwachs und Zuzug haben, steigt natürlich der Bedarf, aber nicht ins Unendliche. Wir sehen, dass nicht jeder Wohnungswunsch auch tatsächlich ein Wohnbedarf ist. Und dann ist da noch die Frage der Wohnungsnot. Hier ist die Lage sehr individuell. Es gibt sehr wohl Menschen, die eine Not haben, aber fallweise auch jene, die eine angebotene Wohnung gar nicht erst nehmen.
Aber der politische Ruf nach leistbarem Wohnen ist laut hörbar.
Lorenz Dass man von den ursprünglich 330 Wohnungen vor fünf Jahren auf 600 Wohnungen gegangen ist, inklusive Sonderwohnbauprogramm, ist wichtig. Aber viel wichtiger ist es, dass man das konstant auf einen längeren Zeitraum macht. 330 Wohnungen waren zu wenig. 1500 Wohnungen wären zu viel. Natürlich könnte man so kurzfristig Bedarf abdecken, aber man würde dadurch die Baukonjunktur stark überhitzen. Die Errichtungskosten sind ohnehin schon bei bald 4000 Euro. Das wäre dann nicht mehr finanzierbar.
Wie groß ist der politische Einfluss?
Lorenz Wir sind ein gemeinnütziger Bauträger mit dem Zusatz, dass wir das Land Vorarlberg als Haupteigentümer haben. Wir haben gesetzlich dort tätig zu werden, wo ein Wohnbedarf besteht. Diesen definiert das Land zusammen mit den Gemeinden. Aufgrund dieser Definition werden gemeinsam mit allen gemeinnützigen Wohnbauträgern die jährlichen Bauprogramme abgestimmt. So nimmt das Land Vorarlberg nicht als Eigentümer, sondern als Förderungsgeber Einfluss auf die Bautätigkeit.
Steigende Grundstückspreise und eine überhitzte Baukonjunktur wirken sich auch auf die Kosten des sozialen Wohnungsbaus aus.
Lorenz Die Errichtungskosten sind bereits sehr hoch. Denn durch die starke Nachfrage nach Bauleistungen steigt der Preis. Man muss also aufpassen, dass sich die Kosten nicht noch weiter nach oben entwickeln. Die Errichtungskosten treffen uns aber insgesamt mehr als die Grundstückspreise.
Sind die Mieten dennoch leistbar?
Lorenz Bei Miete und Betriebskosten liegen wir momentan bei Neubauten bei einem Entgelt von 9,80 Euro pro Quadratmeter. Beim Wohnen500 liegen wir bei 500 Euro für 65 Quadratmeter. Mit diesem Modulsystem haben wir es geschafft, um 30 Prozent unter den konventionellen Baukosten zu liegen. Natürlich gibt es keinen Lift, keine Unterkellerung und eine einfachere Gartengestaltung, aber es ist insgesamt eine gute Qualität.
Bei den Gemeinden musste viel Überzeugungsarbeit hinsichtlich sozialem Wohnbau geleistet werden. Herrschen noch viele Vorurteile?
Lorenz Das hat sich ganz stark verbessert. Wir haben heute Wohnanlagen in 56 Gemeinden. Alle drei Gemeinnützigen zusammen sind in etwa 80 Gemeinden vertreten. Gemeinden denken teilweise, wir bringen ihnen irgendwelche Leute, die man sonst nirgends unterbringt. Dabei bauen wir nur, wenn eine Gemeinde Bedarf hat. Sozialer Wohnbau hat leider immer einen gewissen Touch. Ich bin selber in einer Vogewosi-Wohnung aufgewachsen und habe immer gemerkt, dass ich aus diesem Block komme.
Eine Vogewosi-Wohnung hat sich über die Jahre schon architektonisch verändert. Hilft das dem Image?
Lorenz Das hilft sicherlich. Unsere Anlagen sind top. Das war mir auch wichtig. Zum Beispiel gibt es nicht mehr diese kleinen Balkone, wo man maximal die Wäsche raushängen kann, und es müssen vernünftige Böden sein. Oft sind es Kleinigkeiten, die nicht mal mehr kosten. Wir wollen auch die Architektur möglichst breit abbilden. Fallweise bin ich persönlich aber der Auffassung, dass man es mit dem Standard nicht übertreiben sollte.
Die Südtirolersiedlungen indes sind kleiner und ohne Zentralheizung. Wie groß ist hier die Nachfrage?
Lorenz Das ist je nach Gemeinde unterschiedlich. Die einen haben gar kein Problem, andere wiederum tun sich schwerer, frei werdende Wohnungen zu vermieten. Wir richten sie zwar vor der Wiedervermietung her, aber sie haben keine Heizung. Oft sind die Wünsche größer als die Not. Denn wenn ich kein Dach über dem Kopf habe, nehme ich doch lieber eine frisch renovierte Südtirolersiedlungswohnung und heize selber. Zugleich ist es aber auch nicht einfach, die Mieter von einer Zentralheizung zu überzeugen. Da kann man nicht einfach drüberfahren. Darum überlegen wir uns Alternativmodelle. Themen sind neben der Heizung auch fehlende Balkone und Schall. Aber letztlich ist das immer eine Frage von Mietkosten und Leistbarkeit.
Wie sehen Sie das Thema der Durchmischung von sozialen Wohnungen und Eigentumswohnungen?
Lorenz Ich sehe das positiv. Aber wenn wir mit einem privaten Bauträger zusammenbauen, gibt es keine Verzahnung ineinander, sondern ein vernünftiges Nebeneinander.
In ihren Wohnanlagen treffen viele Menschen aufeinander. Inwieweit gibt es hier Probleme?
Lorenz Wir haben knapp 17.000 verwaltete Wohneinheiten mit 50.000 Bewohnern. Davon gibt es vielleicht zehn Dauerfälle, die uns belasten, und 50, die schwierig sind. Es ist also nicht so viel, wie man denken könnte. Natürlich gibt es auch Aggressionen, Drohungen und kräftige Ausdrücke. Die Frage ist immer, wie das einzuordnen ist.
„Wir haben Gebäude über 80 Jahre. Da braucht es schon eine gewisse Qualität.“

Kennzahlen
Gegründet 1948
Gesellschafter Land Vorarlberg (70,9 %), Städte und Gemeinden
Geschäftsführung Hans-Peter Lorenz, Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Rümmele
Jahresumsatz 79,5 Mill. Euro
Bauvolumen Neubau, Sanierung und Baubetreuung 64,2 Mill. Euro
Bilanzsumme 790,7 Mill. Euro
Mitarbeiter 98
Privat
Hans-Peter Lorenz
Geboren 5. Juli 1961, Bludenz
Ausbildung VS Nüziders, BG Bludenz, Universität Innsbruck – Lehramt Latein und Sport (1 Jahr) und Jus-Studium, Ausbildung zum Immobilienmakler und –verwalter
Laufbahn 1984–1986 Gerichtsjahr BG Bludenz, LG Feldkirch und BG Dornbirn (Grundbuchsumstellungsteam) 1987–2000 Vogewosi-Rechtsabteilung, seit Juli 2000 Geschäftsführer der Vogewosi
Familie verheiratet mit Birgit, zwei Kinder (Alexander 25 Jahre, Hannah 23 Jahre)
In jungen Jahren traf man Hans-Peter Lorenz an Wochenenden auf dem Fußballfeld an, heute eher auf der Tribüne, wie er einräumt. Mitglied bei den Altherren des FC Rätia Bludenz ist er aber immer noch. Lorenz treibt in seiner Freizeit überhaupt gerne Sport und dabei gerne solchen mit Tempo. Deshalb flitzt er zuweilen als Inline-Skater über die Straßen. In der freien Zeit greift der Familienmensch auch gerne zu einem Buch oder hält Wichtiges mit der Videokamera fest.