Amann-Girrbach-Chef Peter Nicklin über die Einzigartigkeit des Unternehmens

Der Spezialist für digitale Zahntechnik ist in einem großen Wachstumsfeld erfolgreich unterwegs.
Koblach Peter Nicklin (56) ist seit 2018 Vorstandschef von Amann Girrbach in Koblach, dem Spezialisten für digitale Zahntechnik. Im Interview spricht er über den wichtigen Parameter Innovation, über Wachstumsmärkte und den Eigentümerwechsel im vergangenen Jahr.
Die Firma Amann wurde 1973 quasi in der Garage gegründet, heute zählt Amann Girrbach zu den innovativsten und wachstumsstärksten Unternehmen der Dentalbranche. Was sind die Parameter, die das Unternehmen so erfolgreich machen?
Zum einen sind es die Mitarbeiter und die Personen, die das aufgebaut haben. Zum anderen ist es die Forschung und Entwicklung. Was diese Firma an Innovation gebracht hat, ist wirklich einzigartig. Das ist das, was das Unternehmen vorangebracht hat und uns einen Vorsprung bringt. Unsere Firmenkultur ist sehr unbürokratisch und ehrgeizig und wir haben eine „Wir schaffen alles“-Mentalität. Diese Motivationskraft hilft enorm.
Erzeugt das Innovationsdruck?
Natürlich. Wenn wir vorne bleiben wollen, auf jeden Fall. Die Konkurrenz schläft natürlich auch nicht. Die Dentalbranche ist auch deshalb so faszinierend, weil sie sehr deutschsprachig verankert ist. Die großen Player sind hauptsächlich in der Schweiz, Deutschland, Österreich und Liechtenstein zuhause. Es kommen jetzt teilweise Asiaten, aber Amerikaner gibt es fast gar keine in dem Bereich, obwohl sie sonst im Gesundheitsbereich oft führend sind.
Wie kann man in der digitalen Dentaltechnologie neue Maßstäbe setzen?
Indem man die Labore noch effizienter arbeiten lässt. Deren Problem ist es oft, dass der traditionelle Zahntechniker immer schwerer zu finden ist. Diesem Fachkräftemangel begegnen wir mit der Digitalisierung. Vieles wird zwar nach wie vor mit der Hand gefertigt, aber vieles kann auch durch maschinelle Arbeit abgelöst werden. Wir haben zum Beispiel gerade auf der Weltleitmesse IDS in Köln eine neue Produktionsmaschine gezeigt. Sie kann auch über Nacht oder am Wochenende produzieren, weil sie sich selbst mit Materialien versorgt. Das ist in der Industrie bislang einmalig. Der Dentalmarkt wächst nach unseren Schätzungen jährlich zwischen drei und vier Prozent, der digitale Dentalmarkt um das Doppelte. Und neben den Laboren gibt es auch immer mehr Zahnärzte, die die Produktion für einfache Restaurationen selbst im Haus haben wollen.
Wie wirken sich Ihre Innovationen auf den Patienten aus?
Der Patient bekommt noch bessere und schönere Zähne, denn es nimmt etwas die Willkür der möglichen Ergebnisse heraus, weil es standardisierte, gute Prozesse gibt.

Woher kommt das Wachstum? Inwieweit sind die Märkte in den Industrienationen gesättigt?
Die Durchdringung in den Industrienationen ist natürlich höher, weil der Fachkräftemangel dort schon länger vorhanden ist. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es etwa 8000 Labore. In Amerika waren es vor zehn Jahren noch 30.000 Labore, heute sind es ebenfalls 8000. Dort hat man sich konsolidiert und es gibt den Trend zu sehr großen Laboren. In den westlichen Ländern gibt es eine Digitalisierung der Labore von maximal 50 Prozent. Es ist also noch lange keine Sättigung. In den Entwicklungsländern ist die Durchdringung noch viel geringer und die Wachstumschancen dementsprechend höher. Vor allem China und Brasilien sind große Wachstumsmärkte für uns.
Forschung und Entwicklung ist eine der wichtigsten Aufgaben in Ihrer Branche. An welchen Schrauben kann man noch drehen?
Natürlich muss man weiterhin die Innovation bringen, um vorne zu bleiben. Aber weil der Markt mit diesen Produkten an sich noch nicht so gesättigt ist, ist bezüglich Gesamtwachstum noch viel zu holen. Wir stellen aktuell deshalb Mitarbeiter vor allem im Vertrieb und im Service ein, denn wir haben kein Produkt, das man einfach nur hinstellt und das war‘s. Aus der Servicierung ziehen wir sehr oft den Vorteil. Die Herausforderung ist, dass der Service in Peking gleich gut ist wie in Brasilien oder Pforzheim.
Seit dem vergangenen Jahr hat Amann Girrbach mit Capvis einen neuen Mehrheitseigentümer. Hat sich das auf die Strategie des Unternehmens ausgewirkt?
Nein, überhaupt nicht. Unser damaliger Hauptaktionär TA Associates aus Boston hatte mich damals angefragt. Ich kam hierher, habe die Firma und die Mitarbeiter kennengelernt, bin wieder nachhause gefahren und habe gesagt, wenn ich irgendwo arbeite, dann hier. Es ging dabei auch darum, einen nächsten Investor zu suchen. Es gab sehr viel Interesse an Amann Girrbach als schnell wachsende, gut aufgestellte und profitable Firma. Im Fokus stand die Frage, wer am besten zum Unternehmen passt. Wollen wir in einen Konzern hineingeschmolzen werden oder lieber eigenständig weiter wachsen? Die Wahl fiel auf den Finanzinvestor Capvis Equity Partners. Sie kennen die Gegend und den Dentalmarkt und investieren nur im deutschsprachigen Raum. Damit haben wir eine sichere Zukunftsperspektive und auch die Möglichkeit, in bestimmten Bereichen mehr zu investieren als in der Vergangenheit, beispielsweise in den Ausbau unserer Vertriebsstrukturen.
Wie langfristig ist das Engagement von Capvis ausgelegt?
Finanzinvestoren sind in der Regel bis zu sieben Jahre dabei. Schön wäre es, wenn mein Erbe jenes wäre, dass die Firma weiterhin allein wachsen kann. Wir sind sehr stabil finanziert und brauchen nicht mehr die Hilfe eines großen Konzerns hinter uns. Ob wir eines Tages dann neu finanzieren oder an die Börse gehen, steht hingegen noch in den Sternen.