Neuer Markt 2.0

Rankweil Wer kennt sie nicht mehr, die gute alte Zeit des „Neuen Marktes“, als mittelständische Unternehmen ihren Firmennamen um die Endung „.com“ erweiterten und dafür mit Kursanstiegen von mehreren 100 Prozent innert weniger Tage belohnt wurden. Innerhalb von nicht einmal zweieinhalb Jahren stieg das „New Economy“ genannte Technologiesegment der Deutschen Börse von 1000 auf über 9600 Punkte an und brachte reihenweise Millionäre und neue Börsenstars hervor.
Wer in den letzten Tagen einen Blick nach China geworfen hat, dürfte sich an die Zeitspanne Ende der 90er-Jahre zurückerinnert fühlen. Unterstützt von der Regierung feierte das neue „Star Market“-Segment sein Debüt und durfte dabei 24 Unternehmen aus den Technologiesektoren der Zukunft wie beispielsweise Computerchips oder Medizintechnik neu auf dem Börsenparkett begrüßen. Die chinesische Propaganda verfehlte ihr Ziel nicht und sorgte für überschwänglichen Enthusiasmus bei den Anlegern: So waren die Neuemissionen um das 1800-fache überzeichnet und die Aktien legten am ersten Handelstag im Schnitt um 160 Prozent zu. „Highflyer“ war „Anji Microelectronics“, dessen Aktie am Debüttag um mehr als 400 Prozent zulegte. Privatanleger in China sind bereits wieder vom Börsenfieber infiziert und träumen von Reichtum. Allerdings liegen die Bewertungsniveaus ein Vielfaches über jenen des großen Vorbilds „Nasdaq“ in New York sowie auch deutlich über dem chinesischen Schnitt.
Ähnlich wie beim „Neuen Markt“ dürfte auch das chinesische „Star“-Segment früher oder später unter unrealistischen Zukunftserwartungen sowie rekordhoher Bewertungen unter die Räder kommen. Vor Jahren scheiterte die chinesische Regierung bereits mit dem Aufbau eines Wachstumssegments („ChiNext“). Zehn Jahre nach Einführung dümpeln die Kurse immer noch 60 Prozent unter den damaligen Höchstständen.
Ein Blick in die Geschichte des „Neuen Marktes“ wäre für chinesische Regierungsmitglieder eine empfehlenswerte Lektüre und könnte bei Kleinanlegern ein böses Erwachen in einigen Jahren verhindern.
patrick.schuchter@vvb.at,
Patrick Schuchter, Vermögensverwaltung Volksbank Vorarlberg