„Keine Gründe für Kündigungen“

Neben Gesundheitshotlines steht derzeit die Beratung durch das Arbeitsmarktservice ganz oben.
Bregenz Das Arbeitsmarktservice steht unter Hochdruck. Verunsicherte Arbeitnehmer und Arbeitgeber suchen Rat und Hilfe – Tausende Anrufe und Online-Anfragen erreichen täglich die Mitarbeiter, die alle Anliegen auch gleich oder zeitnah beantworten. „Eine unglaubliche Teamleistung“ sagt Bernhard Bereuter, Geschäftsführer des AMS Vorarlberg, der den Betrieb mit viel Engagement leitet und seine Anliegen mit ruhiger Art an die Öffentlichkeit bringt. Die VN sprachen mit ihm. Heute, Montag, steht er ab 14 Uhr außerdem in einem VN-Zoom-Gespräch bereit, ihre Fragen zu beantworten.
Herr Bereuter, im AMS mussten Sie schon in einigen wirtschaftlichen Krisen die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt möglichst abdämpfen, wie unterscheidet sich die derzeitige Corona-Krise von bisherigen?
Bereuter Das ist tatsächlich eine völlig neue Art der Krise. Ich habe das noch nie erlebt in dieser Dimension und in dieser kurzen Zeit. Neu ist vor allem, dass es alle Branchen gleichzeitig trifft. Die Finanzkrise 2008/09 war auch herausfordernd, doch das ist eine neue Dimension.
Wo besteht der größte Informationsbedarf bei Arbeitnehmern?
Bereuter Größter Informationsbedarf besteht bei Fragen zum Arbeitslosengesetz und zur Notstandshilfe, da gibt es eine große Verunsicherung bei den Menschen, die so plötzlich vor einer nie dagewesenen Situation stehen, die existenziell ist. Auch Fragen zum Kurzarbeitsmodell werden von den Arbeitnehmern gestellt, da es eine sehr gute Alternative zur Kündigung von Mitarbeitern darstellt.
Wie ist es mit den Unternehmen, wie groß ist das Interesse für das Kurzarbeitsmodell?
Bereuter Sehr groß, bereits bis Freitag haben sich rund 1400 Firmen bei uns über die Voraussetzungen informiert oder haben bereits ihre Mitarbeiter für das Modell angemeldet. Das ist der größte Hebel, den wir derzeit haben, um die Mitarbeiter in Beschäftigung zu halten. Es ist wirklich eine gute Möglichkeit, den derzeitigen Schwierigkeiten zu trotzen, denn es ersetzt tatsächlich die Zahlungen der Arbeitgeber. Dazu ein einfaches Modell: Wenn ein Arbeitnehmer derzeit ein Bruttogehalt von 2000 Euro hat, dann bekommt er 85 Prozent des Nettolohns, also im Durchschnitt 1270 Euro, das Arbeitslosengeld würde 980 Euro betragen, ein Unterschied von 290 Euro. Das ist viel Geld.
Sie kämpfen mit Überzeugung für die Option Kurzarbeit, welche Auswirkungen wird dies auf die Zeit danach haben, wenn die Gesellschaft und die Wirtschaft wieder anlaufen?
Bereuter Es kommt die Zeit danach und dann braucht jedes Unternehmen Mitarbeiter. Wenn wir dann bereit sind, kann das auch ein echter Wettbewerbsvorteil sein. Davon bin ich überzeugt. Das Modell ist zum jetzigen Zeitpunkt sehr gut und es kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, dass sich alle Sozialpartner und die Regierung so schnell einigen konnten auf die Rahmenbedingungen. Ich finde es falsch, jetzt Entscheidungen wie z. B. Kündigungen zu treffen. Wir konnten auch schon Unternehmen überzeugen, Kündigungen rückabzuwickeln, was mich sehr freut. Aufgrund des Virus sollte man jedenfalls jetzt Leute freizusetzen.
Wie bewältigen Sie den derzeitigen Ansturm?
Bereuter Unser Appell, uns online zu kontaktieren hat sehr gut funktioniert. Wir konzentrieren uns auf die Bereiche Arbeitslosigkeit und Notstand. Um alle Fragen schnell zu beantworten, werden wir das Personal weiter aufstocken, auch haben wir die internen Abläufe so organisiert, dass alles gut funktioniert. Auch Termine haben wir abgebaut und verschoben, die Kurse ausgesetzt. Unsere AMS-Mitarbeiter haben höchste Flexibilität gezeigt, dafür gilt mein Dank allen Mitarbeitern, auf die ich sehr stolz bin.
Die Lage ist unübersichtlich, auch die Nerven sind angespannt, gab es schon unerfreuliche Situationen mit ungeduldigen Anrufern?
Bereuter Das Verständnis der Menschen ist sehr groß. Immerhin haben wir bis zu 9000 Anrufe und Online-Kontakte täglich in den ersten Tagen, am Wochenende waren es immer noch doppelt so viele, die die Serviceline nutzten. Neun von zehn Anrufen können wir sofort beantworten. Die Unternehmer können alle Informationen zum Kurzarbeitsmodell online stellen. Das haben wir auch über die Steuerberater gestreut. Das funktioniert sehr gut.
Sie machen bei all den Dingen, die jetzt auf Sie und das AMS einstürmen, einen ruhigen Eindruck, wie schaffen Sie das?
Bereuter Ich bin überzeugt, dass wir jetzt wirklich etwas bewegen können für die Menschen, wir müssen die Möglichkeiten nutzen, die geboten werden. Wichtig ist es, ruhig zu bleiben. Rückhalt und Kraft dazu finde ich in der Familie und in der Natur.
Was raten Sie Menschen, die jetzt erst mal klären müssen, wie ihre berufliche Zukunft aussieht?
Bereuter Aktuell sollten sie alles daran setzen, in Beschäftigung zu bleiben, und Unternehmern ihre Mitarbeiter in Beschäftigung zu halten. Dann sind wir einen guten Schritt weiter. VN-sca

Am Montag, 23. März, 14 Uhr ist der AMS-Geschäftsführer Bernhard Bereuter beim Digitalen VN-Stammtisch mit Wirtschaftsredakteur Andreas Scalet.