ÖGB-Chef Katzian: „Brauchen für Kurzarbeit größeres Budget“

Markt / 27.03.2020 • 12:00 Uhr
ÖGB-Chef Katzian: „Brauchen für Kurzarbeit größeres Budget“
Gewerkschaftschef Wolfgang Katzian: „Es geht jetzt um die Schicksale vieler Menschen.“ APA

ÖGB-Chef fordert stärkere Kontrolle der Maßnahmen auch auf Baustellen.

Schwarzach Die Coronakrise ist mit den ersten Maßnahmen auch zur bedrohlichen Wirtschaftskrise geworden. Die Arbeitslosenzahlen sind seit vergangenem Montag um über 150.000 gestiegen. Um eine Kündigungswelle der Betriebe, die um ihre Existenz kämpfen, zu verhindern, hat der ÖGB zusammen mit Regierung und Wirtschaftskammer ein Kurzarbeitsmodell ausgearbeitet, das sehr gut angenommen wird. Doch der ÖGB ist in allen Bereichen des Arbeitsrechts gefordert. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian (63) schildert im VN-Gespräch die wichtigsten Bereiche und wie es auf den Baustellen weitergehen könnte.

Herr Katzian, gleich zu einer engagiert diskutierten Frage in Vorarlberg. Sollen Baustellen heruntergefahren werden, um die Mitarbeiter zu schützen?

Ich kann noch nichts Abschließendes sagen, weil gerade wieder verhandelt wird. Ein genereller Baustopp steht aber nicht im Vordergrund, es geht darum, dass man sich gemeinsam auf sichere Rahmenbedingungen einigt. Es ist nämlich nach wie vor nicht klar geregelt, wie die Vorgaben umzusetzen sind, es braucht Rechtsverbindlichkeit. Nachdenken müssen wir dann auch, wie die Kontrollen durchgeführt werden. Es geht nicht, dass man bei Menschenansammlungen durchgreift und auf Baustellen nicht richtig schaut. Aber das Thema ist auch in anderen Branchen angekommen, wo man sicher ebenfalls nachfassen muss.

Die Gewerkschaft begrüßt zusammen mit den anderen Sozialpartnern die Kurzarbeitsregelung. Ist sie uneingeschränkt gut oder hat sie einen Pferdefuß?

Das Kurzarbeitsmodell ist aus unserer Sicht sehr gut. Das erste Modell der Bundesregierung wurde mit Wirtschaftskammer-Präsident Mahrer und mir diskutiert. Wir beide haben dann darauf gedrängt, dass wir als Sozialpartner das Modell ausarbeiten werden. Da hat die Zusammenarbeit sehr gut geklappt, wie das jetzt gehandhabte Modell zeigt, das von Firmen und Mitarbeitern gut angenommen wird.

Über einen längeren Zeitraum wird das nicht zu finanzieren sein, wie soll es weitergehen?

In einem ersten Schritt wurden dafür 400 Millionen Euro bereitgestellt, wir glauben aber, dass es ein weit größeres Budget brauchen wird. Vorerst haben wir einmal für drei Monate geplant, aber es gibt die Möglichkeit auf sechs Monate Kurzarbeit und damit haben wir einmal Luft geschaffen für die Firmen und ihre Mitarbeiter. Sollte das nicht reichen, wird man sicher wieder zusammensitzen müssen, um weitere mögliche Schritte zu beraten.

Eine Situation wie diese hat es zumindest in der zweiten Republik noch nie gegeben. Wie beurteilen sie das Agieren der Regierung, wie die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern insgesamt?

Wir haben auf einer Ebene zusammengearbeitet, und haben gezeigt, dass die Sozialpartnerschaft handlungsorientiert ist und wir sehr gut zusammenarbeiten. Nach der Krise sollte man also die Sozialpartnerschaft und ihre Rolle nicht vergessen, wenn es darum geht, wichtige Entscheidungen für Arbeitnehmer und -geber in Österreich zu treffen.

Gibt es Unternehmen, die aus der Reihe tanzen, die Arbeitnehmerrechte verletzen?

Katzian Momentan sitze ich aus Schutzgründen ja auch zu Hause wie viele Menschen und überschreite alle Arbeitszeitregelungen, doch das ist jetzt notwendig, denn es geht um die Menschen, es geht um Schicksale. Aber nicht alle können von zu Hause aus arbeiten, um die müssen wir uns noch stärker kümmern. Es geht nicht so sehr um Vereinbarungen zur Kurzarbeit oder zur Arbeitszeit überhaupt, es geht um die Schutzmaßnahmen und das beobachten wir sehr genau. Es gibt einige Unternehmen in Österreich, die sich unserer Meinung nach nicht hundertprozentig an die Regeln halten. Wir geben den Unternehmern jetzt die Chance, das zu ändern. Wenn nicht, werde ich auch Namen nennen.

Wo kann die Gewerkschaft ihren Mitgliedern konkret helfen, was sind die häufigsten Anliegen?

Wie schon gesagt, es geht um Schicksale, um die wir uns jetzt kümmern müssen, Antworten auf ganz konkrete Fragen zur individuellen Arbeitssituation und damit auch um finanzielle Sorgen. Viele Arbeitnehmer werden von uns telefonisch beraten parallel zu der Hotline der Arbeiterkammer, die wie wir eine sehr hohe Frequenz verzeichnet. Daneben sind auch die Betriebsräte vor Ort sehr damit beschäftigt, in der jetzigen Situation das richtige zu tun. Etwa bei Entscheidungen über die Kurzarbeit auf Betriebsebene. Wo es einen Betriebsrat gibt, muss sich das Management mit den Arbeitnehmervertretern einigen, das ist so vorgeschrieben. Wenn es keinen Betriebsrat gibt, müssen Einzelvereinbarungen abgeschlossen werden. Wenn ich jetzt höre, dass das bei Zumtobel in Vorarlberg nicht passiert ist, dann ist das eine absolute Ausnahme, die man noch klären muss.