Hannes Androsch

Kommentar

Hannes Androsch

Wann, wenn nicht jetzt?

Markt / 24.07.2020 • 22:28 Uhr

Mit knapp 700 Todesfällen ist unser Land im internationalen Vergleich bis jetzt gut durch die Covid-19-Pandemie gekommen. Zwar sind wir – entgegen der Darstellung der Regierung – bei weitem nicht bei den Besten in der Bewältigung der Corona-Krise, doch von den vom Kanzler prognostizierten Hunderttausend Toten sind wir dank des gut ausgebauten Gesundheits- und Sozialsystems und vor allem der Disziplin der Bevölkerung weit entfernt.

Damit ist der positive Befund auch schon zu Ende. Denn alles andere als gut schneidet die Regierung dort ab, wo es um die Wirtschaft, den Gesundheits- und Pflegebereich oder die Bildung geht. Die Notprogramme, die vollmundig verkündet wurden, sind nicht nur weit geringer ausgestattet als etwa jene in Deutschland oder der Schweiz, sondern wurden zudem – wenn überhaupt – sehr spät und mit dem Gestus der Vergabe von Almosen ausbezahlt.

Was es bis dato gar nicht gibt, ist ein effektives Konjunkturpaket, das der Wirtschaft rasch eine Auslastungsperspektive bieten würde, indem es verhindert, dass Betrieben zu große Auftragslöcher entstehen. Ein solches Konjunkturprogramm könnte, indem es sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert, entscheidende Weichen stellen, die es ermöglichen, endlich dem Klimawandel entgegenzutreten und die Digitalisierung voranzutreiben.

Vor allem hat das Virus wie ein Brennglas lange bestehende, aber selten beachtete Strukturschwächen sichtbar gemacht – von der Bildungsungerechtigkeit über die skandalösen Arbeitsbedingungen ausländischer Erntehelfer und Schlachtbetriebsmitarbeiter bis zur Tatsache, dass unser Pflegesystem ohne jene Pflegekräfte, die aus osteuropäischen Staaten zu uns kommen und dann trotz ihrer Einzahlungen ins Sozialsystem die Kinderbeihilfe gekürzt bekommen, zusammenbrechen würde. Wann, wenn nicht jetzt ist der Zeitpunkt, um flankierend zu einem Konjunkturpaket von mindestens 15 Milliarden auch ein Zukunftsprogramm von zehn Milliarden zu beschließen, um diese und andere Defizite zu beheben und das Land einen großen Schritt vorwärts zu bringen?

Nun hat man sich auf EU-Ebene auf ein historisches Hilfspaket geeinigt. Dass dabei mit Unterstützung Österreichs in den Bereichen Forschung, Gesundheit und Umweltschutz gekürzt wurde, ist jedoch ein schwerer Rückschlag. Kanzler Kurz verantwortet damit die weitere Schwächung innovativer Zukunftsbereiche.

Fazit: Vom angekündigten Mega-Wumms blieb nur ein Mega-Plumps. Eine Politik, die sich in medial aufgeblasenen Ankündigungen erschöpft, ist ungeeignet zur Bewältigung der schwersten Rezession der Zweiten Republik. Denn selbst wenn wir – was zu hoffen ist – eine zweite Welle verhindern können, stehen wir doch erst am Beginn bei der Bewältigung dieser Krise.

„Vom angekündigten Mega-Wumms blieb nur ein Mega-Plumps.“

Hannes Androsch

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Dr. Hannes Androsch ist Finanz­minister i. R. und Unternehmer.