Konflikt vorprogrammiert

Lebensmittelhändler wollen im Lockdown weiter Elektrogeräte und Spielzeug verkaufen.
Schwarzach, Salzburg, Wien Der Lebensmittelhandel wird auch in den nächsten Wochen wieder als systemrelevante Branche offenhalten, um die Menschen, die in Quasi-Quarantäne zuhause sind, mit den wichtigen Dingen des täglichen Lebens zu versorgen. Ein Auftrag, den der Lebensmittelhandel wie eine Reihe anderer Branchen schon im ersten Lockdown zuverlässig erfüllt hat. Das Sortiment der großen Handelsketten umfasst allerdings auch ein breites Angebot an Artikeln, die nicht zur Grundversorgung zählen. Und das hat im März und April zu heftigen Auseinandersetzungen und sogar Anzeigen (auch aus Vorarlberg) von Händlern mit Nonfood-Artikeln geführt, die sich benachteiligt sahen. Nur wenige Tage vor der Wiedereröffnung des Nonfood-Handels, also der Mode- und Schuhgeschäfte, des Spielwarenhandels etc., lenkten die Großen ein und versprachen, das Nonfood-Programm weitestgehend einzuschränken.
Nächste Runde im Konflikt
Der Konflikt um das Sortiment dürfte nun in die nächste Runde gehen. Denn am Montag gaben die Handelsketten Interspar, Hofer und Lidl bekannt, dass sie weiterhin Sortimente, die dem typischen Warensortiment aller Betriebsformen im österreichischen Lebensmittelhandel entsprechen, auch weiterhin verkaufen werden. Nur die Rewe-Group mit Billa und Merkur als größte Marken haben sich bereits im Vorfeld entschieden, keine „atypischen“ Warensortimente zum Verkauf anzubieten. Verbunden war dies mit einem Aufruf an die Mitbewerber, „diesen Weg mitzugehen“.
Beschränkung rechtswidrig
Der Aufruf von Rewe wurde nicht erhört, hinter vorgehaltener Hand wird in der Branche auch betont, dass Billa und Merkur auch sonst nur ein relativ kleines Nonfood-Sortiment führen und deshalb eine andere Ausgangssituation haben. „Eine Beschränkung der bei Interspar, Hofer und Lidl Österreich seit Jahrzehnten üblichen Sortimente, wäre gesetz- und verfassungswidrig“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme, außerdem sei das auch nicht im Interesse der Konsumenten. Der Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer, Michael Tagwerker, spricht im Gespräch mit den VN von einer „heißen Kartoffel“. Die Firmen haben das rechtlich prüfen lassen, und solange es keine gegenteiligen Gutachten gebe, gehe er davon aus, dass sie das dürfen. Er gehe aber davon aus, dass es innerhalb des Handels dennoch zu Diskussionen komme, sagt er mit Rückblick auf das Frühjahr. Lösen könne das nur die Bundesregierung mit einer entsprechenden Verordnung, so Tagwerker. Auch aus den Handelskonzernen will man sich auf Anfrage nicht weiter dazu äußern.
Andere Situation
Das Thema wurde intern sicher diskutiert, denn in der gemeinsamen Stellungnahme betonen die drei Handelskonzerne, die zusammen rund 60 Prozent Marktanteil halten: „Da die Händler mit Betretungsverbot ja bis zu 60 Prozent Umsatzentschädigung erhalten, ist die Situation auch eine völlig andere als im Frühling.“ Sollte es dennoch ein Verkaufsverbot geben, gäbe es für sie keinen Umsatzersatz. „Auch dies wäre verfassungswidrig“, stellen sie klar und signalisieren dem Gesetzgeber, dass sie dann vor Gericht ziehen würden. VN-sca
„Die Firmen haben das rechtlich geprüft, nun muss die Regierung aktiv werden.“

Wer darf offenhalten?
» Öffentliche Apotheken
Lebensmittelhandel (einschließlich Verkaufsstellen von Lebensmittelproduzenten und bäuerlichen Direktvermarktern)
Drogerien und Drogeriemärkte
» Verkauf von Medizinprodukten und Sanitärartikeln, Heilbehelfen und Hilfsmitteln
» Gesundheits- und Pflegedienstleistungen für Menschen mit Behinderungen, die von den Ländern im Rahmen der Behindertenhilfe-, Sozialhilfe-, Teilhabe- bzw. Chancengleichheitsgesetze erbracht werden
» Veterinärmedizinische Dienstleistungen
» Verkauf und Wartung von Sicherheits-
und Notfallprodukten
» Verkauf von Tierfutter
» Agrarhandel einschließlich Schlachttierversteigerungen sowie der Gartenbaubetrieb und der Landesproduktenhandel mit Saatgut, Futter und Düngemittel
» Tankstellen und Stromtankstellen einschließlich Waschanlagen
» Banken
» Postdiensteanbieter einschließlich deren Postpartner
» Ticketschalter auf Bahnhöfen und in der U-Bahn
» Tabakfachgeschäfte und Zeitungskioske
» Abfallentsorgungsbetriebe
» Kfz- und Fahrradwerkstätten
» Auto- und Fahrradverleih