Landesrat Gantner: “Es gibt eine neue Tourismusgesinnung im Land”

Politiker sieht neue Chancen für die durch Corona schwer gebeutelte Branche.
Bregenz Auch für Landesrat Christian Gantner war und ist die Corona-Pandemie eine besondere Herausforderung. Im VN-Interview spricht er über die neue Tourismusgesinnung im Land und darüber, wie er die Tourismusbranche für die Zukunft aufgestellt sieht.
Sicherheits- oder Tourismuslandesrat: In welcher Aufgabe sehen Sie sich derzeit mehr gefordert?
Der Tourismus ist sehr lange von Corona betroffen. Deshalb ist die Arbeit in diesem Bereich schon auch sehr intensiv. Es ist ein Bereich, für den ich sehr gerne verantwortlich bin. Ich befürworte es sehr, dass Tourismus und Landwirtschaft nun in einem Ressort vereint sind. Für mich sind das Zukunftszwillinge, weil sie stark voneinander abhängig sind.
Hat sich das Bewusstsein für den Wert des Tourismus im Land verändert?
Corona hat den Tourismus stark getroffen, aber auch viele Chancen aufgezeigt. Die Art und Weise, wie wir Tourismus in Vorarlberg machen – mit mehr Raum und Natürlichkeit und ohne Halligalli – war mit ein Grund, dass wir keine Cluster-Situation wie in anderen Destinationen hatten. Auch die Tourismusgesinnung hat sich durch Corona geändert. Zuvor war er für manche lästig und wir haben ganz vergessen, was alles am Tourismus dranhängt. Jede touristische Infrastruktur ist auch Infrastruktur für Einheimische. Für mich ist Tourismus mehr als nur Betten und nicht nur Gastronomie und Hotellerie. Diese Familie ist größer und die will ich mehr zusammenbringen.

Für den Tourismus war der Winter wirtschaftlich ein Totalausfall. Wieso war es aus Ihrer Sicht dennoch wichtig, die Skilifte zu öffnen?
Ich bin sehr dankbar, dass die Seilbahnen geöffnet haben. Aber gerade für die vorher angesprochene Tourismusgesinnung war es wichtig. In Vorarlberg hat man gesehen, sie machen auch für uns auf und nicht nur für Gäste. Diese starke Botschaft ist auch wichtig, wenn es um neue Seilbahnprojekte gibt. Dabei waren die Verhandlungen mit dem Bund nicht einfach. Da gab es das Bild, Skifahren ist nur Après-Ski.
Was kann man aus so einer Wintersaison an Positivem mitnehmen?
Wir hatten als einziges Bundesland mit dem Winterkodex eine durchgängige Sicherheits- und Präventionsstrategie für den Winter. Da haben wir eine große Kompetenz aufgebaut. Sicherheit ist eine wesentliche Urlaubsentscheidung und sicherlich die neue Währung. Auch die Modellregion ist eine sehr wichtige Visitenkarte und ein Startvorteil für unser Urlaubsland.

Was haben Sie sich gedacht, als Bilder von langen Schlangen vor den Liften ohne Abstand auftauchten?
Vor diesen Bildern hatten wir natürlich Angst. Aber nach diesem besagten Samstag zu Beginn der Saison hatten die Skigebiete danach alles sehr gut im Griff.
Im Mai sollen ja die Hotels öffnen dürfen. Was erwarten Sie sich? Wie wird der Tourismussommer 2021?
Es wird sicher ein langer Sommer. Laut unseren Umfragen wird es keine Zwischensaison geben. Die Menschen wollen Urlaub machen. Es wird vom Mai in den Sommer gehen und ohne Pause in Herbst und Winter. Da hat uns die Pandemie gezeigt, dass der Weg in Richtung Ganzjahresdestination der Richtige ist. Zudem möchten wir uns bei den Herkunftsländern breiter aufstellen.
Sollte sich der Fokus künftig mehr auf den inländischen Gast richten?
Letzten Sommer haben uns viele Österreicher und auch Vorarlberger als Urlaubsland entdeckt. Wir müssen sie noch stärker zu uns holen. Denn mit 90 Prozent Gästen aus Deutschland und den Benelux-Staaten und geschlossenen Grenzen haben wir ein Bein, das schnell wegknicken kann.

Wird es nicht davon abhängen, ob die Grenzen zum wichtigsten Markt Deutschland geöffnet sind?
Wir gehen davon aus, dass es im Sommer hier mehr Reisefreiheit geben wird. Vor allem durch den Grünen Pass.
Hotels bekamen im November 80 und im Dezember 50 Prozent. Privatvermieter zwischen 15 und 25 Prozent. Verstehen Sie, dass viele Privatvermieter dies als unfair betrachten?
Wir haben eine ähnliche Diskussion rund um Benachteiligungen, wenn es um Öffnungsschritte geht. Ich glaube aber, dass mit den Hilfen insgesamt Großartiges geschaffen worden ist. Die Privatzimmervermieter mussten sicherlich zu lange auf die Hilfe warten, aber sie ist letztlich fair und gut. Ich finde, man darf schon zwischen Hotel und Privatzimmervermietung unterscheiden. Nicht nur, wenn man die Punkte Fixkosten und Haupt- oder Zusatzeinnahmequelle betrachtet.
Die Hauptkritik vieler Betriebe bezieht sich auf die fehlende Planbarkeit. Was kann da ein Politiker überhaupt ausrichten?
Pandemie und Planbarkeit sind zwei Sachen, die schwer zusammengehen. Der wesentliche Charakter einer Krise ist die Nicht-Planbarkeit. Nichtsdestotrotz versuchen wir schon, diese im möglichsten Maße zu geben. Die Modellregion ist mir zu wenig. Ich will, dass wir eine Erfolgsregion sind. Da geht es auch um Verantwortung. Es nützt niemandem, wenn wir sofort alles aufzusperren, um danach wieder zusperren zu müssen. Das ist auch der Grund, wieso wir im Leiblachtal und im Bregenzerwald so scharf reagieren. Denn alles, was man aufschiebt, holt einen tausendfach ein.
Sehen Sie den Fachkräftemangel in der Branche dadurch verstärkt, nachdem viele Tourismus-Mitarbeiter durch das AMS umgeschult wurden?
Im Tourismus war es zuvor schon nicht einfach, Mitarbeiter zu finden. Aber insgesamt ist die Branche ein krisensicherer Arbeitsplatz. Denn Berge und Gastfreundschaft kann man nicht auslagern. Die Pandemie hat auch bewirkt, dass es gegenüber Tourismus-Mitarbeitern eine viel höhere Wertschätzung gibt. Und auch umgekehrt, bei der Qualität, die der Betrieb dem Mitarbeiter bietet, hat sich sehr viel getan.

Wo werden die Vorarlberger den Sommerurlaub verbringen? Im eigenen Land oder werden Reisen ins Ausland möglich sein?
Natürlich wäre mein Wunsch, dass wir alle den Urlaub in Vorarlberg verbringen. Fernreisen werden sicherlich nach wie vor schwierig sein. Ich bin deshalb ja froh, für den Tourismus in Vorarlberg zuständig zu sein und nicht für Kreuzfahrtschiffe oder Fluglinien.
Was macht ein Jahr Corona-Krisenmodus mit einem Politiker?
Es macht das Jahr kurz. Es ist wie im Flug vergangen. Ich arbeite sehr gerne, aber die Taktung ist schon eine andere. Statt vieler Abendveranstaltungen bin ich dafür abends lange im Büro. Stolz bin ich darauf, wie alle hier in diesem Land zusammenarbeiten. Das ist eine riesengroße Qualität.