Wandel beginnt im Kopf

Markt / 07.10.2021 • 18:11 Uhr
Der Schweizer Philosoph David Bosshart ist Autor mehrerer Bücher, Konsumforscher und international gefragter Referent.
Der Schweizer Philosoph David Bosshart ist Autor mehrerer Bücher, Konsumforscher und international gefragter Referent.

Trendforscher David Bosshart referiert am 38. Vorarlberger Wirtschaftsforum.

SCHWARZACH Was die Zukunft für unsere Gesellschaft bereit hält, ist weitgehendst ungewiss. Die Pandemie verdeutlichte dies, indem sie uns wohl alle auf dem falschen Fuß erwischte. Indessen betitelt der Schweizer Trendforscher und promovierte Philosoph David Bosshart (62) die Covid-Erfahrungen der vergangenen Monate erst als Vorgeschmack auf das, was uns morgen erwarten wird.

Forschungsinteressen

Bosshart schloss eine Ausbildung zum Kaufmann ab, ehe er die Wirtschaftshochschule „Ecole Supérieure de Commerce“ in Neuchâtel absolvierte und an der Universität Zürich in der Fachrichtung Philosophie und politische Theorie seinen Doktortitel erhielt. Heute ist er renommierter Autor, Referent und Präsident der Gottlieb und Adele Duttweiler Stiftung und befasst sich mit gesellschaftlichen Strömungen und Umbrüchen. Zu Bossharts Arbeits- und Interessenschwerpunkten gehören unter anderem die Zukunft des Konsumverhaltens, das Zusammenspiel zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz und die Widersprüche der fortlaufenden Globalisierung. Mit seinen rund 2100 Präsentationen in über 40 Nationen erreichte er bis dahin knapp 350.000 Menschen.

Tätigkeiten im GDI

Als Geschäftsführer des Gottlieb Duttweiler Forschungsinstituts (GDI) in Zürich leitete er 21 Jahre lang die Geschicke der unabhängigen Denkfabrik, mit dem Ziel, wissenschaftliche Forschung auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet durchzuführen. Die Non-Profit-Organisation, welche sich auf interdisziplinäre Trendforschung spezialisierte, war die erste ihrer Art und machte sich bereits früh einen Namen über die Landesgrenzen hinaus.

Der in unregelmäßigen Abständen vergebene Gottlieb-Duttweiler-Preis sorgt zudem für breites, internationales Ansehen. Die Auszeichnung, welche derzeit mit 100.000 Franken dotiert ist, wird jeweils an Personen der Öffentlichkeit verliehen, die sich durch „hervorragende Leistungen zum Wohle der Allgemeinheit verdient gemacht haben für eine kulturelle, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Umwelt, in der ein jeder sich entfalten und an deren Weiterentwicklung ein jeder eigenständig mitwirken kann“. Während Bossharts Zeit am GDI wurde der Preis unter anderem Tim Berners-Lee, Entwickler des World Wide Web, und dem Vorarlberger Ernst Fehr, Verhaltensökonom und ebenfalls Referent am kommenden Wirtschaftsforum, verliehen. Jüngster Preisträger ist die Künstliche Intelligenz „Watson“ der IT-Unternehmung IBM. Auf dem Gebiet der KI sei Watson die leistungsfähigste Computerplattform der Welt und erbringt Leistungen von unschätzbarem Wert, insbesondere auf den Gebieten des Gesundheitswesens, der Mobilität und des Handels. „Unsere Zukunft hängt davon ab, wie Menschen und Maschinen zusammenarbeiten“, äußerte sich David Bosshart an der Preisverleihung.

Vergangenes Jahr trat er von seiner Position im Forschungsinstitut zurück, um das Amt des Präsidiums der Gottlieb und Adele Duttweiler Stiftung anzutreten. Namensgeber der Stiftung und des Instituts war der Schweizer Unternehmer Gottlieb Duttweiler, welcher als Politiker und insbesondere als Gründer des Unternehmens „Migros“ bekannt wurde. Unter seiner Führung entwickelte sich die Migros Genossenschaft zum nationalen Marktführer im Detailhandel. Als Stiftungsvorsitzender verfolgt David Bosshart das Ziel, dass die Statuten, Verträge und das Gedankengut des Migros-Gründers in der gesamten Migros-Gemeinschaft eingehalten werden.

Zunehmende Polarisierung

In einer seiner neueren Publikationen „Polarization Shocks“ behandelt David Bosshart die Widersprüche der modernen Globalisierung. Die Weltbevölkerung rücke durch die Globalisierung immer näher zusammen, die Gräben aber zwischen Eliten und Massen, Experten und Laien, Gefühlen und Fakten, würden immer größer. „Wir sind an einem Wendepunkt in unserer immer komplexer werdenden globalen Gemeinschaft angekommen, die mehr und mehr über wachsende Polarisierungen definiert wird», schreibt Bosshart und liefert Erklärungen für aktuelle politische Ereignisse. «Je näher wir uns auf dem Planeten kommen, desto größer ist die Tendenz, Mauern wieder aufzubauen. Das Spiel gewinnt, wer die Macht hat zu inkludieren und auszugrenzen. Das gilt für Branchen, Unternehmen und Nationen.“ Daher lautet sein Appell, dass man zunächst akzeptieren sollte, dass Macht in unserer Gesellschaft immer häufiger über Netzwerke ausgeübt werde, und immer weniger über die heute noch führenden Eliten.

Stark in die Zukunft

Nebst seiner Stiftungstätigkeit ist David Bosshart Inhaber der Beratungsfirma „Bosshart & Partners“ und im Beirat des österreichischen Unternehmens „SIGNA Retail“. Zusätzlich bildet er sich selbst kontinuierlich weiter, sei es an der Stanford University oder an der Chicago Business School. Auftraggeber seiner Analysen und Vorträge sind häufig internationale Konzerne und nationale Unternehmen aus dem Handel, der Konsumgüter- und Dienstleistungsbranche.

Mit Humor, Bescheidenheit und Ehrlichkeit wird er am 38. Vorarlberger Wirtschaftsforum am Podium im Rampenlicht stehen, um das Publikum im Bregenzer Festspielhaus zu inspirieren: „Die Bereitschaft zum Wandel, auch in Firmen und Branchen, beginnt im Kopf. Der Mensch ist bei Verhaltensänderungen aber träge, daher bedürfe es kluger Anreize. Wir sind supergut im Vergessen, Verdrängen und Verschieben. Wir müssen wieder lernen, was uns wirklich wohlhabend und glücklich macht.“ VN-MRK