Elias Hirschls “Content” im Theater Kosmos

Scharfsinnige Satire über Aufmerksamkeit und Ausbeutung im digitalem Zeitalter.
Bregenz Mit Elias Hirschls Stück „Content“ brachte Aslı Kışlal im Theater Kosmos einen Abend auf die Bühne, der das Lachen nicht als bloßes Mittel zur Unterhaltung verstand, sondern es präzise dosierte und zugleich als Instrument der Erkenntnis einsetzte. In der Content-Factory „Smile Smile Inc.“ – einem hyperaktiven Betrieb über den Schächten eines stillgelegten Kohlebergwerks – entsteht einzig, was die meisten Klicks verspricht: „Nummer 7 wird Sie zum Weinen bringen!“ Und so rückt die Inszenierung die entscheidende Frage in den Mittelpunkt: Welchen Sinn behält Arbeit in einer Ökonomie, die auf nichts anderes als die Maximierung von Aufmerksamkeit ausgerichtet ist?

Kışlal überträgt Hirschls Sprachwitz und seinen Bildersturm in eine klare, präzise Bühnensprache: Bürosessel kreisen wie Karussells, Hände wischen ins Leere, auf Bildschirmen werden Essenslieferungen verfolgt, während sich Handyvideos unablässig neu generieren und an die Wände werfen. Shahrzad Rahmani hat dafür einen Spielraum geschaffen, gefasst von lichtdurchlässigen Plastikplanen, der als Showroom einer künstlich erzeugten Öffentlichkeit funktioniert; darüber liegt Claudia Virginia Dimois nervös pulsierendes Videodesign, das die Bilderlust des Stoffes reizvoll steigert, ohne je die Spieler zu überblenden.

Die Handlung bleibt bewusst fragmentiert, als stünde man im Windkanal der Nachrichten: Sequenzen flammen auf und brechen wieder ab, die Dramaturgie kippt gekonnt in die kalkulierte Unordnung, Figuren taumeln zwischen Pflicht, Spiel und Absturz und finden doch nirgends Ruhe.

Zum Funkeln gebracht wird dieser Abend vom Ensemble, das Kışlal bis an die produktive Überdrehtheit heranführt. Tala Al-Deen verleiht der neuen Mitarbeiterin von Smile Smile Inc. eine Mischung aus Eifer und Skepsis, die ein Date mit einem Start-upper in eine herrlich verrückte Szene treibt. Tina Keserović setzt als Investigativjournalistin zu einer ungebremsten Annäherung an und entfaltet eine wunderbar komödiantische Körperlichkeit. Ursula Reiter, Sophia Löffler und Maximilian Thienen setzen präzise Kontrapunkte und halten den Takt in dieser Fabrik der kurzen Aufmerksamkeit.

Über dem absurden Treiben liegt die Erzählung von Erschöpfung und Austauschbarkeit: Während die Menschheit in Fluten und klaffenden Löchern versinkt, spuckt die Firma weiter Content aus, als sei Sinn nur noch obsoletes Zubehör; die KI übernimmt ihre Erfinder, alle werden „Ich“, das Posten läuft im Autopilot, und aus dem Off erklärt die synthetische Stimme Angela Merkels, wie ein Clickbait-Artikel gebaut ist. Nebenbei werden ausrangierte Nokias geschreddert oder in einem Wettbewerb geworfen, als wolle man den Gerätekult gleich mit entsorgen; über der Kohlegrube setzt sich die Ausbeutung fort – nicht mehr als Staublunge, sondern als Staubhirn.

Nadine Abena Cobbinas Kostüme, aus robusten und sichtbar gebrauchten Teilen zusammengesetzt, wirken wie Puzzles vervielfachter Identitäten; sie erzählen vom Dauerzustand der Anspannung und von Menschen, die vor allem eines müssen: funktionieren. Dass die 105 Minuten bisweilen unübersichtlich werden, stört nicht; wichtiger ist, wie präzise Rhythmus, Wechsel der Spielmodi und die Balance aus Groteske und Erkenntnis geführt sind, sodass Lachen und Nachdenken in einer Bewegung zusammenfinden – ohne pädagogischen Zeigefinger, dafür umso wirkungssicherer.

Unterm Strich ist „Content“ in Bregenz ein komischer, kluger und energetischer Theaterabend, der Hirschls Roman respektvoll kondensiert und zugleich auflädt. Kışlal findet eine Form, die die großen Diskurse – Scheinwirklichkeit, Social-Media-Manipulation, Selbstentmächtigung durch KI und die Fortsetzung der Ausbeutung – zugänglich macht und dem Ensemble zugleich Raum für Genauigkeit und Glanz lässt.