Wie eine Feldkircherin das Kaufhaus neu erfindet

Markt / 30.10.2021 • 08:00 Uhr
Wie eine Feldkircherin das Kaufhaus neu erfindet
Nina Müller will den Kunden ein umfassendes Erlebnis im Departement Store bieten.

Nina Müller managt seit 2020 das traditionsreiche Schweizer Kaufhaus Jelmoli an der Züricher Bahnhofstraße.

Zürich Die Feldkircherin Nina Müller ist seit April 2020 CEO des traditionsreichsten Schweizer Kaufhauses, des Jelmoli in Zürich. Die Warenhaus-Institution setzt trotz der schwierigen Coronazeit auch medial vielbeachtete Akzente. Die Markenspezialistin spricht im Interview über die Renaissance des Kaufhauses und ihre Pläne.

Frau Müller, Sie haben die Führung im  Omnichannel Premium Department Store Jelmoli, wie man das heute nennt, im April 2020 übernommen. Was macht man in dieser schwierigen Situation zuerst?

nina Müller Es war schon ein verrückter Tag an dem ich gestartet bin. Es war der 1. April. Bei uns war Gott sei dank nicht das ganze Haus geschlossen. Die Foodabteilung und Teile der Beautyabteilung waren offen. So hat es sich nicht ganz leer angefühlt und es war ein Teil des Teams da. Und ich habe Kunden kennengelernt und konnte sie begrüßen. Sie waren extrem dankbar, dass wir hier sind und nicht einfach zugemacht haben.

Die Markenspezialistin baut das Traditionshaus den Bedürfnissen der Kunden von heute entsprechend aktuell und auch weiterhin um.
Die Markenspezialistin baut das Traditionshaus den Bedürfnissen der Kunden von heute entsprechend aktuell und auch weiterhin um.

Wie hat sich das Geschäft seither entwickelt?

Müller Wir haben die zwei Lockdowns relativ gut überstanden. Nach dem ersten Lockdown sind die Kunden wieder euphorisch zurückgekommen. Nach dem zweiten Lockdown war dann nicht mehr so eine große Konsumeuphorie festzustellen wie nach dem ersten, aber die Leute waren dennoch sehr froh, wieder in ihr Geschäft zu kommen. Die Gastronomie – wir haben zwölf Gastrobetriebe im Haus – hat große Restriktionen. Das bewegt uns auch heute noch.

Wir sehen, dass das Warenhaus immer mehr ein Ort der Begegnung wird. Es geht nicht nur darum, Waren zu präsentieren, sondern auch Events, Pop-
ups, Kollaborationen.

Nina Müller

War die Coronakrise auch eine Chance, sich zu positionieren?

Müller Wenn man so als CEO startet, dann ist das Erste, dass man sich die Situation im Betrieb anschaut und die Strategie überarbeitet. Dabei sind viele Themen in der Pandemie nochmals stärker hervorgetreten: Lokalisierung, Partnerschaften, Nachhaltigkeit, die Interaktion mit den Kunden. Das haben wir eingearbeitet. Als Resultat gibt es Projekte auf allen Ebenen des Hauses. Wir haben die Kinderwelt umgebaut, wir werden die Streetwear-Abteilung eröffnen. Wir haben zwei neue Cafés und planen für die nächsten zwei Jahre weitere Umbauten. Das hält uns auf Trab, gibt uns allen aber auch Selbstvertrauen und  Glauben an die Zukunft. Wir glauben an den Handel, an das Stationäre. Wir sagen in unserer Vision: Wir wollen das Warenhaus neu erfinden und nachhaltig Menschen begeistern – und: Wie können wir den Konsum, der sich verändert, mitgestalten? Wir sehen, dass das Warenhaus immer mehr ein Ort der Begegnung wird. Es geht nicht nur darum, Waren zu präsentieren. Es geht darum, Begegnungen zu schaffen. Dazu gehören Podiumsdiskussionen, Events, Popups, Kollaborationen.

Können Kaufhäuser überhaupt wieder die dominierende Position einnehmen, die sie im 20. Jahrhundert innehatten?

Müller Ich glaube sehr stark daran. Es ist nicht einfacher geworden und ich glaube auch nicht, dass jedes Warenhaus eine Zukunft hat. Aber wenn die Lage und die Aktivitäten passen, wenn es uns gelingt, relevant in den Augen unserer Kunden zu sein, dann hat das Warenhaus eine Renaissance und nimmt wieder definitiv den Platz ein, ein Ort der Begegnung zu sein. Das sehen wir auch bei unseren Aktivitäten. Leute freuen sich, nicht nur zum Shoppen zu kommen, sondern auch Erlebnisse zu haben, die Malcom McLaren „Shopatainment“ genannt hat. Ich fasse das etwas weiter, also dass man Infotainment macht, Informationen teilt und so die Kunden begeistert.

Popup-Stores wie jener des Zürcher Künstlerduos Wiedemann/Mettler gehören zum Konzept des Kaufhauses.<span class="copyright"> VN/Paulitsch</span>
Popup-Stores wie jener des Zürcher Künstlerduos Wiedemann/Mettler gehören zum Konzept des Kaufhauses. VN/Paulitsch

Sie haben für verschiedene Marken gearbeitet. Bei Jelmoli sind die Marken, die sie früher betreuten, an einem Ort vereint.

Müller Meine Faszination für schöne, für internationale Marken, war eigentlich immer da. Und ich konnte mit Wolford starten und war zuerst bei zwei wunderbaren österreichischen Marken, bei Wolford und Swarovski. Beide sind bei uns im Haus vertreten. Ich hatte aber auch die Möglichkeit, in London für Mandarina Duck und French Connection zu arbeiten. Immer geht es um schöne Produkte, um Produkte, hinter denen ich stehen konnte. Nun kommt alles zusammen in dem Rucksack, den ich mir gepackt habe, und den darf ich jetzt hier auspacken.

Sind die Produkte, von denen Sie gesprochen haben, die es bei Jelmoli gibt, nachhaltig?

Müller In einem Kaufhaus, wie wir es sind, ist es noch nicht so, dass jedes Produkt wirklich nachhaltig ist. Aber der Fokus von uns liegt  – und man spürt es auch bei den Marken  – in der Weiterentwicklung der Nachhaltigkeit. Wir nehmen das sehr ernst und haben den Green Act, wo wir sämtliche sozialen und umweltrelevanten Themen verpacken und Ziele formulieren, die wir in den nächsten Jahren erreichen wollen. 

Wie gehen Sie bei Jelmoli mit dem Thema Onlinehandel um?

Müller Wir haben heuer einen Relaunch unseres Onlinestores gemacht und bauen alle Omnichannel-Features aus. Das Thema nehmen wir sehr ernst. Unsere Kunden egal in welcher Altersklasse, tendieren immer mehr dazu, sich online zu informieren und dann online oder offline zu shoppen. Wir haben die Möglichkeit, die Kunden mit unserem Service und sehr viel Platz hier in Zürich vor Ort empfangen zu können. Diese Kombination hilft uns auch künftig sicher, um gegen den Pure Onlinehandel zu bestehen.

Wie oft sind Sie noch in Vorarlberg, wie stark ist ihre Verbindung nach Feldkirch?

Müller Mindestens einmal im Monat. Meine Mutter lebt in Feldkirch, auch mein Bruder mit seiner Familie. Ich werde hier auch von Freunden aus Vorarlberg besucht und natürlich haben wir auch treue Kunden aus Vorarlberg bei Jelmoli.

Zur Person

Nina Müller

CEO Jelmoli AG

Geboren 4. September 1969

Ausbildung Studium der Handelswissenschaften in Wien, immer wieder Ausbildung und Weiterentwicklung während der letzten Jahre, immer wieder Coachings

Laufbahn Wolford, fünf Jahre in London Mandarina Duck, French Connection, Leitung Kaufhaus Braun Wien; Swarovski, Coop

Hobbys Skifahren (Lieblingsorte Lech und Zürs), Kochen, Genießen

 

Jelmoli AG

Gegründet 1849

Eigentümer Swiss Prime Site AG

Mitarbeiter 650, zu Weihnachten bis zu 1000 Mitarbeiter

Fläche 26.000 qm insgesamt

Umsatz 2019 226 Mill. Franken