Euro fällt unter einen US-Dollar

Markt / 13.07.2022 • 18:40 Uhr
Jan Kluge, Ökonom der Denkfabrik Agenda Austria.Hannah Schierholz
Jan Kluge, Ökonom der Denkfabrik Agenda Austria.Hannah Schierholz

Welche Auswirkungen der schwache Euro auf die Wirtschaft hat und weshalb die Schweizer Inflation so niedrig ist.

Schwarzach Am Mittwoch passierte etwas, was seit Jahrzehnten nicht mehr passiert war. Erstmals seit gut zwanzig Jahren ist der Euro weniger als einen US-Dollar wert. Die Gemeinschaftswährung fiel kurzzeitig unter die Marke von einem Dollar. Welche Auswirkungen das hat, darüber haben die VN mit Jan Kluge, Ökonom der Denkfabrik Agenda Austria, gesprochen.

Warum ist der Euro so schwach?

Die Entwicklung sehen wir schon einige Monate. Dafür gibt es zwei Gründe. Einerseits die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Während die US-Notenbank Fed deutlich entschiedener gegen die hohe Inflation vorgeht und die Zinsen angehoben hat, hat die EZB diesen Schritt viel kleiner und später gesetzt. Angepeilt ist nur eine leichte Anhebung um 0,25 Prozentpunkte. Andererseits gibt es große Rezessionsängste. Die haben die USA auch, aber wenn der russische Gashahn versiegt, hat Europa das viel größere Problem.

Was sind die Folgen eines schwachen Euro?

Für exportorientierte Länder wäre ein schwacher Euro eigentlich positiv. Dadurch werden österreichische Waren für andere Länder günstiger. Aber das hilft im Moment nicht. Durch die gestörten Lieferketten und die Rohstoffsituation kann die Exportnachfrage derzeit nicht ausreichend bedient werden.

Gibt es weitere Nachteile?

Ja, denn Energie und Rohstoffe werden üblicherweise in US-Dollar bezahlt. Das wird somit teurer. Damit importieren wir uns zusätzliche Inflation. Teurer wird auch der Urlaub im Dollarraum.

Wie geht es nun weiter?

Das hängt entscheidend von der Geldpolitik der EZB ab und ob die zinspolitische Kluft zwischen Dollar- und Euro-Raum größer wird. Allerspätestens mit den höheren Lohnabschlüssen im Herbst gibt es für die EZB akuten Handlungsbedarf. Kommt es wirklich zu einem Gas-Stopp, rutschen wir in eine Rezession. Das wird den Euro weiter nach unten treiben. Aktuell flüchten schon viele in den sicheren Hafen US-Dollar, ähnlich wie beim Schweizer Franken.

Apropos Schweiz: Wieso ist dort die Inflation mit 3,4 Pro­zent deutlich niedriger?

Die Schweiz hat eine eigene Währung und damit die Möglichkeit, den Franken aufzuwerten und damit vom Inflationstrend abzukoppeln. Das geht bei einer Gemeinschaftswährung wie dem Euro nicht. Österreich hat keine eigene Geldpolitik. Die Schweiz kann die Preise für Importgüter günstig halten, auch für Energieimporte. Das ist ein großer Vorteil. Zudem deckt die Schweiz ihren Strombedarf fast ganz aus Wasser- und Atomkraft, und im Warenkorb ist Energie auch weniger gewichtet. VN-REH