Hannes Androsch

Kommentar

Hannes Androsch

Bildung

Markt / 26.08.2022 • 22:20 Uhr

Schulen sind „das Tor der Zukunft“, meinte vor 100 Jahren der Schulreformer Otto Glöckel, wissend, dass Bildung die Voraussetzung für Chancengleichheit und ein selbstbestimmtes Leben ist. Das diesjährige Jubiläum seiner Reformen wurde jedoch geflissentlich übergangen, ist doch der Bildungsbereich seit Jahrzehnten veränderungsresistent. Trotz üblicher Sonntagsreden, wonach Bildung die wichtigste Voraussetzung für eine gedeihliche Zukunft unserer Jugend ist und unsere Kinder daher bestmögliche Schulen verdienen, entfernen wir uns immer weiter von diesem Ziel. So haben wir trotz geringster Zahl an Unterrichtsstunden und den meisten Ferien das zweitteuerste Schulsystem, sind aber bei den Leistungsvergleichen weit abgeschlagen hinter Finnland, den Niederlanden, der Schweiz, u.a. Zugleich ist immer mehr aufwendiger Nachhilfeunterricht nötig, sofern die Eltern sich diesen leisten können. Die Schulleitungen sind mit administrativen Aufgaben überhäuft, haben aber keine Personalhoheit. Diese liegt bei den Bildungsdirektionen, die sich nun überrascht zeigen, dass altersbedingt und damit vorhersehbar eine Pensionierungswelle bevorsteht, die den – trotz Rückgangs der SchülerInnenzahl um rund 100.000 und einer Verdopplung der Lehrkräfte in den vergangenen 40 Jahren – bereits akuten Lehrermangel weiter verschärfen wird.

Auch gibt es – allen bildungspsychologischen Erkenntnissen zum Trotz – immer noch überwiegend Halbtagsschulen, organisiert in kasernenhaftem Fünfzig-Minuten-Takt, mit dem Ergebnis, dass rund ein Fünftel der PflichtschulabgängerInnen nicht hinreichend lesen, schreiben und rechnen und daher auch nur schwer eine Lehre antreten kann. Jene aber, die es sich leisten können, schicken ihre Kinder – österreichweit sind dies bereits 10, in Wien sogar 20 Prozent der SchülerInnen – in ganztägige Privatschulen.

Vor allem aber hat man die Vorbereitung auf das digitale Zeitalter völlig verabsäumt. Erst im vorigen Schuljahr wurde vor dem Hintergrund der Pandemie begonnen, die SchülerInnen mit Notebooks auszustatten. Der Beschaffungsvorgang wurde jedoch zum Flop und so heißt es noch immer „bitte warten“. In anderen Ländern wie etwa der Schweiz, sind schon die Grundschüler mit Tablets ausgestattet. Jüngst wollte man trotz der wesentlich höheren Kosten beim Schulbeginn, die Schulstarthilfe von 100 auf 80 Euro kürzen – eine Maßnahme, die die sozial Schwächsten trifft. Überdies hat man es geschafft, auch für das nächste Schuljahr neuerlich ein Covid-Chaos zu bescheren.

Was es jetzt braucht, ist die Attraktivierung des Lehrerberufes bei gleichzeitiger Auswahl der besten KandidatInnen für diese Aufgabe. Es braucht elementarpädagogische Erziehung durch gut ausgebildetes und auch entsprechend bezahltes Personal. Und es braucht flächendeckend Ganztagsschulen – auch, um den 70 Prozent berufstätigen Müttern die Vollzeitbeschäftigung und Altersabsicherung zu ermöglichen – sowie eine echte Digitalisierungsoffensive. Wenn all dies nicht rasch erfolgt, drohen wir die Zukunft unseres Landes zu verspielen.

„In anderen Ländern wie etwa der Schweiz, sind schon die Grundschüler mit Tablets ausgestattet.“

Hannes Androsch

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Dr. Hannes Androsch ist Finanz­minister i. R. und Unternehmer.